Muiderzand (NL) - Givet (F)
Wir wollen vom IJsselmeer ins Mittelmeer fahren und entscheiden uns für die Binnenroute mit separat transportierten Mast. Über Vecht, Waal, Maas, Canal de l'Est, Saône und Rhône soll es nach Port-Saint-Louis-du-Rhône gehen. Der Canal de l'Est ist die frühere Bezeichnung des französischen Schifffahrtskanals zwischen der Maas, der Mosel und der Saône. Im Jahr 2003 wurde er umbenannt. Der Nordabschnitt heißt seitdem Canal de la Meuse (Maas-Kanal) und der Südabschnitt Canal des Vosges (Vogesen-Kanal). Bei den Vorbereitungen unserer Reise haben uns die Internetberichte der SY Merger (2009) und der SY Bumble-Bee (2013) sehr geholfen. Wir erreichen Muiderzand Mitte April. Das Schiff hat im Wasser liegend, trotz Eis und Stürmen den Winter gut überstanden. Wie jedes Jahr gibt jede Menge zu putzen und zu reparieren. Das Schiff bekommt ein neues Bimini Top, dann wird der Mast gelegt und für den Transport vorbereitet. Großbaum, Salings und Wanten nehmen wir an Bord mit auf die Reise. Zum Schluß wird noch ein hölzerner Hilfsmast, den wir zu Hause vorbereitet hatten, aufgestellt. Neben der Befestigung der Gastlandflagge soll er eine "Hilfswant" bieten, an dem man sich wie gewohnt in den Schleusen bei Bedarf festhalten kann. Auf der Wiedersehensfeier mit Roy und Ellis von der SY Étanche erklären sie, nächstes Jahr über die Biskaya ins Mittelmeer segeln zu wollen. Wir freuen uns schon auf ein Treffen in de Middellandse Zee. Roy hat sich eine Drohne mit Kamera zugelegt und so gibt es noch ein paar Luftaufnahmen vom Hafen und unseren Booten.
Muiderzand - Weesp
Dienstag 01. Mai. Am morgen stürmt und regnet es. Keine guten Bedingungen für den ersten Schritt unserer langen Reise. Für den Spätnachmittag wird Besserung vorhergesagt. 16:00 legen wir ab. Von der Marina Muiderzand geht es zur Tonne IJM14, dann westlich zur Einfahrt von Muiden. Es bläst ein eiskalter Südwestwind. Steuerbord liegt die Insel Pampus querab, dann geht es südlich in die Utrechtsche Vecht, die hier in das IJmeer mündet. Vorbei am mittelalterlichen Wasserschloss Muiden geht es in die Vechtschleuse mit ihrer Schwenkbrücke. Hier saßen wir vor Jahren in einem Restaurant, aßen Pannenkoeken und genossen das Schleusenkino. Jetzt agieren wir selbst in der Schleuse. Nach der Spieringbrücke fahren wir über das neuerbaute Aquadukt. Unter uns fließt der Autobahnverkehr von und nach Amsterdam und wir schwimmen darüber hinweg. Hinter Weesp legen wir an einem Anlegeplatz ohne Landgangmöglichkeit an und freuen uns, heute doch noch gestartet zu sein.
Weesp - Maarssen
Mittwoch 02. Mai. Sonnenschein aber kalter Wind. Unter der nächsten Brücke können wir mit unseren 3,10 m Höhe durchfahren. Die große Motoryacht vor uns muss warten. In der Ortschaft Nigtevecht besteht eine Verbindung zum Amsterdam-Rhein-Kanal (ARK), aber wir bevorzugen den beschaulichen Weg auf der Vecht. An den Ufern sieht man zahllose schwimmende Wohnungen (Woonboten) und größere Herrenhäuser und Schlösser mit großen Parkanlagen, die einige wohlhabende Patrizier aus Amsterdam hier errichtet haben. Ein paar Hebebrücken später erreichen wir Breukelen, die Ortschaft ist Namensgeber vom New Yorker Stadtbezirk Brooklyn. Etwas später legen wir in Maarssen, dem Wohnort von Ellis und Roy, kurz hinter der Meerbrug an. Abends kommen die Beiden und laden uns ins Restaurant Argentina zum lekkeren Spareribsessen ein.
Maarssen - De Lithse Ham
Donnerstag 03. Mai. Wieder sonnig mit kaltem Wind. Wenige Minuten nach dem Ablegen fahren wir durch die offen stehende Vechtschleuse in den Amsterdam-Rhein-Kanal. Vorbei an Utrecht kommen wir gegen Mittag zur Prinses Irenesluis. Die grünen Lichter erlauben uns die Einfahrt hinter vier Großschiffen. Weil die Poller sehr weit auseinander liegen können wir uns nur mit einer Leine von der Mittelklampe aus festmachen. Danach queren wir den Niederrhein, wo wir steuerbord einem polnischen Frachter ausweichen müssen. Die Marijkenschleuse ist offen und nach einer weiteren Stunde Fahrt kommen wir zur Prins Bernhardsluis. Wieder liegen mehrere Berufsschiffe vor uns. Wir können im Päckchen an einem holländischen Motorboot festmachen. Hinter der Schleuse fahren wir steuerbords in die Waal, den südlichen Mündungsarm des Rheins. Wie auf einer Autobahn gleiten die viele Großschiffe an uns vorbei. Wir haben die starke Strömung von 2 Knoten mit uns. Nach einer Stunde verlassen wir die Waal zur Einfahrt in die St. Andries Schleuse. Wir müssen warten. Endlich gehen die Lichter auf grün und wir können hinter einem sehr großen Schiff in die Schleuse einfahren. Wieder nur ein Haltepunkt für uns, dazu Spundwände, eine unruhige Schleusung aber am Ende ist alles gut gegangen. Kurz darauf sind wir auf der Maas, die im Vergleich zur Waal sehr beschaulich dahinfließt. Wir fahren am Flußkilometer 206 in die Marina "De Lithse Ham", eine schöne Anlage mit gutem WLAN. Beim Abendessen läßt die Anspannung des Tages nach. Wir sind nach Vecht, ARK, Waal und Maas heute sehr, sehr müde.
De Lithse Ham - Leukermeer
Freitag 04. Mai. Wir fahren die Maas zu Berg mit nur geringer Gegenströmung. Kurze Zeit später geht es durch die Prinses Maxima Schleuse 3,70 m aufwärts. Wir liegen allein in der Schleuse und unser Superschleusenmanöver bleibt ohne Zeugen. Hinter der Schleuse geht es stundenlang durch eine Auenlandidylle mit pappelgesäumten Ufern, kleinen Dörfern, Rinder und Schafe weiden, Graugänse schnattern. Mittags passieren wir die Schleuse Grave. In Cuijk fahren wir an einer imposanten Kirche vorbei, dahinter bietet die Landschaft wenig Abwechslung. Am Nachmittag passieren wir noch die Schleuse Sambeek, eine sehr große Schleusenanlage mit 3 Kammern. Wir liegen in der Mittelschleuse relativ weit vorn und müssen richtig Kraft aufwenden, um das Schiff gegen das einströmende Wasser ruhig zu halten. Einige Zeit später erreichen wir die Einfahrt zu unserem ursprünglichen Tagesziel, den JH Wanssum. Wir fahren durch einen Industriehafen sehen eine wenig einladende Steganlage. Auf der linken Seite wird eine neue Spundwand gesetzt, Armiereisen ragen ins Fahrwasser. Beim Versuch zwischen die Stege zu fahren piepst der Tiefenmesser, nur noch 1,50 m. Eva meint: "weg hier" und wir wenden auf engstem Raum. Wir fahren 2 sm zurück zum Leukermeer. Hier gibt es einen neuen JH, der noch nicht in unserer ANWB Karte steht. Dieser Hafen läßt keine Wünsche offen. In der Stille des Abends ist das ununterbrochene Schnattern der Graugänse zu hören. Am nächsten Tag besuchen uns Roy und Ellis noch einmal. Sie bringen "Limburger Vlaai" mit zum Kaffee. Das ist eine Art Streuselkuchen gefüllt mit einer Vanillepuddingcreme.
Leukermeer - Roermond
Sonntag 06. Mai. Auch heute wieder Sonne und blauer Himmel. In gemütlicher Fahrt geht es gegen Mittag durch Venlo und hinter der Stadt durch die Schleuse Belfeld. Vorbei an der Klosterkirche St. Michael in Steyl und dem Kasteel de Keverberg in Kessel. Hinter der Schleuse Roermond tummeln sich zahlreiche Freizeitkapitäne auf der Maas und den umliegenden verbundenen Seen, den Maasplassen. Wir finden unseren Liegeplatz für die Nacht nahe der Altstadt beim "RWV Nautilus" direkt unter dem Restaurant. Der Name der Stadt ist abgleitet von dem Fluss Rur (Roer), der durch die nordrhein-westfälischen Eifel und die Region Niederrhein fließt und hier in die Maas mündet. Wir laufen am Ufer der Rur über die Steinerne Brücke in die Stadt. Am anderen Ufer prägen die Kathedrale St. Christophorus und die vielen Restaurants das Stadtbild. Am Abend ist es mit der Tagesruhe vorbei. Im Restaurant über unserem Liegeplatz spielt laute Musik im Hip-House Stil bis in die Nacht.
Roermond - Maastricht
Montag 07. Mai. Durch die Schleuse Linne geht es zurück auf die Maas und eine Stunde später erreichen wir Maasbracht. Von Maasbracht bis Maastricht bildet der Fluss die Staatsgrenze zu Belgien. Weil die Grenzmaas nicht schiffbar ist erbaute man 1929 den 36km langen Julianakanal. Eine Anzeigetafel vor der Schleuse Maasbracht weist darauf hin, dass der Kanal vom 10.-14.Mai wegen Bombenräumung gesperrt ist, nur gut dass wir noch rechtzeitig durchkommen. Die Schleuse hebt uns 11 m an. Wir liegen am Schwimmpoller nur mit einer Leine an der Mittelklampe befestigt. Um das Schiff an der Schleusenmauer ruhig zu halten muss man sehr viel Kraft aufbringen. In der nächsten Schleuse te Born, ebenfalls 11 m Hub mit Schwimmpoller, nutzen wir zusätzlich noch die Vorleine auf den gleichen Poller. Das Schiff liegt jetzt mit geringem Kraftaufwand deutlich ruhiger. Hinter einer Flußkurve bei der Brücke Elsloo passieren wir zwei größere Baustellen in sehr langsamer Fahrt hinter einem Frachter. Der biegt am Beatrixhafen ab und wir sind in Maastricht. Wir biegen steuerbord ab zur Schleuse, der Einfahrt zum Historischen Stadthafen t'Bassin. Die Hafenanlage mit Schleuse, Hafenbecken und umliegenden Restaurants wurde erst 2001 mit EU- Geldern ausgebaut. Am Abend laufen wir zum naheliegenden Marktplatz mit seinem schönen Rathaus. In der Pizzeria Napoli wählen wir Pasta Frutti di Mare und Pizza Neapolitana, beides äußerst lekker. Am nächsten Tag erkunden wir bei drückender Hitze das Stadtzentrum. Durch kleine Gassen rund um den Marktplatz führt uns der Weg zum Buchhandel Dominicanen, eine schöne Idee, Bücher unter kühlen Kirchengewölben zu handeln. Wir besichtigen die Liebfrauenkirche und laufen an der Maaspromenade zurück. Mit einem Einkauf im Supermarkt endet der Stadtbummel. Am Abend gehen wir auf Empfehlung von Roy zur Gaststätte "De Lanteern" neben der Liebfrauenkirche. Die hochgepriesene Zwiebelsuppe und auch die Fischsuppe waren leider ein Reinfall. Beide Suppen schmeckten eher nach Süßspeise, der Koch hat wohl Zucker mit Salz verwechselt.
Maastricht - Huy
Mittwoch 09. Mai. Nach der Aussfahrt aus dem Stadthafen geht es hinter der Stadt über die Staatsgrenze in den Canal de Lanaye. Wir wechseln die Gastlandflagge und sagen wehmütig Tschüß Niederlande, wir haben uns hier sehr wohl gefühlt. Vor der Schleuse Lanaye müssen wir auf Einfahrt warten, die Schleusung verläuft problemlos und wir fragen über Funk, ob wir uns mit Schiffspapieren in Belgien anmelden müssen, was verneint wird. Nach der Schleusung fahren wir in den Albertkanal, der von Antwerpen kommt, ein. Das Ende des Kanals wird durch eine monumentale Statue gekennzeichnet, die wir Kanalwächter getauft haben. Wir sind wieder auf der Maas, die hier mit dem französischen Namen Meuse benannt wird. Mittags sind wir in Lüttich (Liège). Der Yachthafen am historischen Stadtkern ist leider voll besetzt. Wir fahren weiter nach Huy. Es ist herrlich im Cockpit zu sitzen und die Landschaft vorbeifließen zu lassen. Zwei Schleusen später legen wir hinter der gotischen Kirche und der Zitadelle im Royal Yacht Club de Huy "Port de Statte" an. Bei der Anmeldung erfahren wir, dass verschiedene Abschnitte der Maas in Frankreich gesperrt sein sollen. Unsere Recherche bei der Französischen Schifffahrtsbehörde VNF bringt keine Klarheit. Wir beschließen weiter zu fahren und genauere Informationen in den kommenden Häfen zu erfragen.
Huy - Namur
Freitag, 11. Mai. Wir haben nur vier Stunden Fahrt vor uns, deshalb können wir uns morgens Zeit lassen. Als wir ablegen wollen startet unser Motor nicht wie gewöhnlich. Die Fehlersuche am Volvo Penta MD-2030 brachte keine Erkenntnis. Nach mehrern Versuchen läuft der Motor endlich und wir legen ab. Die Landschaft ändert sich deutlich. Hinter der Uferböschung erheben sich bewaldete Hügel, später erinnern uns schroffe Kalksteinfelsen an das Elbtal der Sächsischen Schweiz. In Namur, der Hauptstadt von Wallonien, machen wir im Hafen d'Amee fest. Ein Holländer ist behilflich und erzählt, das solche Schiffe wie unseres in seiner Heimat auf der Osterschelde fahren. Als wir berichten, dass wir auch in Zeeland gesegelt sind, ist er etwas gerührt. Leider gibt es kein WLAN im Hafen, also keine weitere Recherche zu Motorproblemen und Gebietssperrungen.
Namur - Anseremme
Samstag, 12. Mai. Wir fahren weiter durch das liebliche Tal der Ardennen. Hier genießt man die Freizeit mit wandern, klettern, radeln und angeln. In diesem Teil des Flusses gibt es fast keine Berufsschifffahrt mehr, vielleicht wegen den vielen Schleusen, die in regelmäßigem Abstand für Fahrtunterbrechung sorgen. Wir durchqueren fünf Schleusen mit je 2-3 m Hub und kommen nach Dinant. Die Stadt präsentiert sich majestätisch mit Festung und Stiftskirche. Nach einer weiteren Schleuse fahren wir zum Yachtclub Anseremme, der hinter einer Steinbrücke in einer geschützten Bucht liegt. Hier gibt es eine kleine Gaststätte und viel Natur. Wir liegen am Besuchersteg vor einer Wiese mit zahllosen blühenden Margeriten. Die Atmosphäre beim Abendessen in der Gaststätte ist familiär. Der Hafenmeister, der von allen mit "Mon Capitaine" angesprochen wird, meint, wir sollten uns Zeit lassen bei der Weiterfahrt, die Streckensperrung würde in den nächsten Tagen aufgehoben. Wir wollen zwei Nächte hier bleiben, Morgen ist Regen angesagt.
Anseremme
Montag, 14. Mai. Uns beschäftigen zwei Probleme: der Motor springt nicht sofort an und Sperrungen auf dem Canal de la Meuse. Beim Motorproblem lag der erste Verdacht bei den Glühkerzen, das konnten wir aber ausschließen. Wahrscheinlicher ist, das Luft in der Kraftstoffleitung die Ursache ist. Am Dienstag soll ein Monteur kommen. Von der "MY Vagabond" erfahren wir von drei Sperrungen. Schleuse 49 bis 46, Revin bis Deville, Avis FR/2018/06233. Schleuse 44 bis 40, um Charleville-Mezieres, Avis FR/2018/06234 und Schleuse 28 bis 21, vor Verdun, Avis FR/2018/06240, gesperrt bis 30.06.2018. Die letzte Sperrung würde eine Pause von 5 Wochen bedeuten. Alternativ könnten wir über den Canal des Ardennes und den Canal de I'Aisne nach Reims und weiter über Canal lateral a la Marne und den Canal entre Champagne et Bourgogne in die Saone. Bis zum Abzweig in den Canal des Ardennes am km 96 müssen aber die ersten beiden Sperrungen aufgehoben sein und dann müssen wir uns entscheiden. Wir haben unseren Liegeplatz erst einmal um eine Woche verlängert. Wegen des Motors war ein Monteur zweimal da. Es ist Luft in der Ansaugleitung. Ein Leck konnte er aber nicht finden. Also müssen wir bis auf weiteres bei jedem Start den Motor entlüften. Dann hatten wir noch Wasser in der Bilge. Der Abfluß des Fäkalientankes war verstopft worauf eine recht anrüchige Fehlerbehebung folgte. In Dinant besuchen wir das Geburtshaus von Adolphe Sax. Er erfand das nach ihm benannte Instrument 1846 und starb in großer Armut 1894 in Paris. "What would music be without jazz? But what would jazz be without the saxophone?" Pfingstsonntag erzählt uns im Hafen ein Belgier, der Richtung Frankreich ablegt, das die Schleuse Revin wieder offen ist.