3. Gdansk (Danzig) - Kaliningrad (Königsberg)
Gdansk (Danzig)
Die Sonne scheint und wir nehmen uns ein paar Tage Zeit für die Stadt. Ein Spaziergang führt über die Jopengasse (ul.Piwna) zur Marienkirche, immerhin die drittgrößte Backsteinkirche weltweit. Im Inneren der Kirche muss man den Kopf arg in den Nacken legen, um die 30m hohen Gewölbe der drei Kirchenschiffe anzuschauen, die von 26 Pfeilern getragen werden. Wir entschließen uns, die 400 Stufen des 82m hohen Kirchturms aufzusteigen. Auf der kleinen Aussichtsplattform erhalten wir als Lohn einen grandiosen Panoramablick über die Stadt. Leider ist die Sicht durch Dunst nicht klar. Ein weiterer Spaziergang führt uns am Mottlau Ufer zum Fischmarkt. Wir kommen in die Danziger Altstadt. „Altstadt” steht hier für den Namen eines Stadtteils von Danzig, der an die Rechtstadt, den Stadtkern, angrenzt. Nur wenige Meter entfernt vom Altstädtischen Graben kommen wir auf einen Platz an der Polnischen Post, die 1939 zum Symbol polnischen Widerstands wurde. Wir setzen unseren Weg fort und besichtigen die Katharinenkirche, Danzigs älteste Kirche mit deren Bau bereits 1185 begonnen wurde. Hier befindet sich ein zweifach gekröntes Bild der Mutter Gottes. Die Legende sagt, dass das Bild im Dnepr einem Ertrinkenden das Leben gerettet hat. Schöne Geschichte. Hinter der Katharinenkirche kommen wir zur Alte Mühle am Radaunekanal. Sie wurde 1350 erbaut und war damals die größte Mühle Europas, fast 600 Jahre lang bis 1945 war sie in Betrieb. Wir laufen weiter zum Platz Solidarnosci vor dem Tor der ehemaligen Leninwerft, auf der im Sommer 1980 von Lech Walesa und den streikenden Werftarbeitern Geschichte geschrieben wurde. Zum Geburtshaus von Günter Grass im Stadtteil Langfuhr schaffen wir es nicht mehr. Nach seinem Tod wurde er als Statue sitzend neben seiner wohl bekanntesten Romanfigur, Oskar Matzerath aus der Blechtrommel, platziert. Er setzte seiner Geburtsstadt mit der Danziger Trilogie (Die Blechtrommel, Katz und Maus, Hundejahre) ein literarisches Denkmal. Polen und insbesondere Danzig hat uns überrascht. Während der Westen Deutschlands das letzte Jahrzehnt von Stagnation gekennzeichnet war, gab es im Osten offensichtlich eine rasante Entwicklung. Bettler, Obdachlose und zwielichtige Gestalten findet man auf der Zeil in Frankfurt zuhauf, auf der Langgasse in Danzig haben wir keine gesehen. "And the first one now will later be last. For the times they are a-changin'" (Bob Dylan)
Gdansk (Danzig) - Hel (Hela)
Mittwoch 25. Mai. An der LOTOS Tankstelle am Fischmarkt füllen wir Diesel nach, motoren durch die Tote Weichsel zurück zur Mündung und setzen Segel für die Überfahrt nach Hel. Der Wind steht wieder einmal ungünstig, wir müssen kreuzen. Kaum liegen wir in Hel fest, kommt auch schon der Hafenmeister zum Kassieren des Liegegeldes. Wir fragen nach den Modalitäten für das Ausklarieren, da beginnen die Missverständnisse. Er beordert zwei Beamte zu uns. Die kontrollieren unsere Pässe und als sie hören, dass wir erst morgen früh zur Fahrt nach Kaliningrad ablegen, stellen sie die Kontrolle ein und fordern uns auf, eine halbe Stunde vor Abfahrt auf UKW Kanal 10 die polnische Border Guard zu rufen. Weil wir spätestens früh 05:00 starten wollen fragen wir nochmals nach. Die Auskunft: keine Sorge, die kommen zu jeder Tageszeit. Nach dieser Klärung geben wir bei einem sehr guten Abendessen im Pub "Admiral Nelson" unsere letzten Zloty aus.
Hel (Hela) - Baltiysk (Pillau) - Kaliningrad (Königsberg)
Donnerstag 26. Mai. Der Wecker klingelt 04:00. Eine halbe Stunde später rufen wir die Polish Coast Guard auf VHF 10 und bitten um die Erlaubnis, nach Russland abzulegen. Zunächst meldet sich niemand, erst beim zweiten Anruf kommt eine schlecht verständliche Antwort, die wir als Okay interpretieren. 05:20 heißt es "Leinen los". Hinter der südlichen Gefahrentonne setzen wir Segel. Der Wind bläst mit 4 Bft, die verdammt hohen Wellen sind für Eva anfangs unheimlich. Als wir schon über 4 sm gefahren sind hören wir, das SY Impuls über Funk auf Kanal 16 gerufen wird. Die Border Control fordert uns auf, nach Hel zurückzukehren. Wir bestätigen, es geht zurück. In Hel geht dann alles sehr schnell. Wieder stehen zwei Beamte vor unserem Schiff und verlangen die Pässe, die sie diesmal einscannen. Dann wünschen sie uns gute Fahrt. Das war's, das Manöver hat uns Nerven und zwei Stunden gekostet. Nun segeln wir bei leichter Bewölkung und hohen Wellen 8 Stunden nach Baltiysk. So richtig gemütlich ist es nicht. Etwa 4 sm vor Pillau ruft Bernd auf VHF 74 Baltiysk Traffic und bittet um Einfahrt in den Kaliningrad Sea Canal (KSC). Einige Großschiffe fahren vor uns ein, Baltiysk Traffic weist uns an, einem Großschiff zu folgen. Wir können die Geschwindigkeit nicht halten und fallen zurück. In der Einfahrt werden wir zur Kurskorrektur aufgefordert und müssen dicht an einem russischen Kriegsschiff vorbei fahren, das hier, aus welchen Gründen auch immer, festgemacht hat. Dann sollen wir einem Pilotboot folgen, das uns zur Immigration & Custom an Pier 81 lotst. Nach dem Festmachen werden die Pässe und Visa kontrolliert, dann kommen gleich drei Beamte aufs Boot. Impuls wird von außen und innen mehrfach fotografiert (was machen die nur mit den vielen Bildern?). Vom Skipper werden folgende Unterlagen verlangt: 3x Crewlist, Kopie Flaggenzertifikat und Kopie der Pässe, dann muss Bernd noch ein Zollformular in zweifacher Ausführung ausfüllen. Als Einlage für die Pässe gibt es noch ein Zettelchen, worauf ein Stempel fehlt, was die Beamten noch einmal in Aufregung versetzt. Mit Erlaubnis von Baltiysk Traffic dürfen wir jetzt weiter fahren. Es geht 3,5 Stunden durch den Kaliningrader Seekanal zum Fluß Pregel. Die Fahrt bietet wenig Abwechslung. In der Abendsonne künden zahlreiche Kräne das nahe Ziel an. Wir fahren an mehreren Hafenanlagen vorbei und halten Ausschau nach der Marina. Dann sehen wir nach dem Freihafen eine marode kleine Steganlage, wo einige Motorboote fest liegen. Wir vergleichen nochmal das Foto im Hafenführer mit den aktuellen Gegebenheiten und realisieren, dass wir angekommen sind. Ein älterer Mann in Uniform winkt uns zu und ist beim Anlegen übereifrig behilflich. Die sogenannte "Marina Kaliningrad" ist Teil eines Industriehafens und von europäischen Standards sehr weit entfernt. Die sanitäre Anlage ist ein Dixiklo, am gegenüberliegenden Ufer wird Kohle verladen, Schmütz, Schutt und Lärm dominieren. Dafür verlangt man 20 Euro pro Nacht. Aber es gibt eine Security, die die Anlage rund um die Uhr bewacht. Da liegt sie nun, die Impuls, unter den Füßen eines alten rostenden Krans gefangen wie von einem Kraken. Diesen Ort können wir uns nicht mal mit viel Alkohol schön trinken.