"Von den meisten Büchern bleiben nur Zitate übrig. Warum nicht gleich nur Zitate schreiben?"
(Aus Unfrisierte Gedanken von Stanislaw Jerzy Lec)






2. Kolobrzeg (Kolberg) - Gdansk (Danzig)

Kolobrzeg (Kolberg) - Darlowo (Rügenwalde)

Freitag 13. Mai. Nach der Ausfahrt kommt der Wind wieder aus NE. Der Weg ist lang, deshalb fahren wir mit Motor gegen den Wind von 4-5 Bft. Zum Glück scheint die Sonne. Nach zwei Stunden Fahrt dreht der Wind endlich auf NNE. Wir setzen die Segel im 1.Reff und können hart am Wind Kurs auf den Zielhafen legen. Durch die Abdrift schaffen wir es nicht bis zur Hafeneinfahrt. Kreuzen wollen wir heute nicht, also fahren wir die letzten 4sm unter Motor in den Vorhafen Darlowo. Der Hafen, der nur über wenige Gastliegeplätze verfügt, liegt am Fluss Wieprza hinter einer futuristisch erscheinenden Schiebebrücke, die nur zu jeder vollen Stunde öffnet. Wir warten bis zur Brückenöffnung und fahren in den Hafen. Der Service ist gut, aber WLAN ist leider nicht verfügbar. Die Stadt scheint auf Saisonurlauber eingestellt zu sein. Es gibt viele Restaurants, die aktuell fast alle leer sind. Einzig ein Bistro an der Brücke ist so gut besucht, dass wir auch hier Essen gehen. Morgen müssen wir durch militärisches Sperrgebiet. Vom Hydrographic Office of the Polish Navy erfährt man in der NAVIGATIONAL WARNING NO 089:
DUE TO MILITARY EXERCISES ZONES ARE CLOSED FOR SHIPPING AND FISHERY:
  9. ZONE NO 6 ON 14-05 FROM 06:00 TO 12:00
10. ZONE NO 6 ON 14-05 FROM 16:00 TO 22:00
Zum Glück bemerkt Bernd, das die Zeiten sich auf UTC beziehen und in MESZ umgerechnet werden müssen. Also Start 11:45, passieren der Brücke 12:00, dann sollten wir 14:00 an der Zone 6 sein, die von 14:00 bis 18:00 befahrbar sein dürfte.

Darlowo (Rügenwalde) - Ustka (Stolpmünde)

Samstag 14. Mai. Wie geplant legen wir ab und fahren mit zwei anderen Yachten, die wohl den gleichen Plan haben, 12:00 durch die Brücke. Bei Sonnenschein und kräftigem Westwind zieht uns das Vorsegel mit 6,5 kn durchs Wasser, viel zu schnell um die Zeiten für das Sperrgebiet einzuhalten. Wir reffen das Segel stark. Die beiden anderen Yachten sehen das nicht so eng. Ustka hat noch keinen Yachthafen. Segler finden Platz am Kai in der Stadt oder im Fischerhafen. Als wir ankommen ist der Hafen voll, der hilfsbereite Hafenmeister gestattet uns an einer polnischen Charteryacht "im Päckchen" anzulegen. Vor der Hafeneinfahrt verbindet eine Schwenkbrücke das West- und Ostufer des Flusses Slupia (Stolpe), die ist aktuell außer Betrieb und über die nächste Brücke sind es mehrere Kilometer Weg in die Stadt, so entfällt ein Besuch - sehr schade, denn Bernd war in seiner Jugendzeit schon einmal hier. Windfinder kündigt Sturm und Regen an. Wir wollen lieber in Leba als hier abwettern und beschließen, morgen sehr früh abzulegen.

Ustka (Stolpmünde) - Leba (Leba)

Sonntag 15. Mai. Als der Wecker 06:00 klingelt fegt gerade ein Graupelschauer über uns hinweg. Die Wolken sind schwarz. Da bleiben wir doch lieber in der Koje. Dann wird es schnell heller und gegen 07:30 entschließen wir uns doch zur Abfahrt. Bei der Ausfahrt regnet es leicht. Mit raumen Wind surfen wir nur mit der Genua nach Leba. Steuerbord liegt der Slowinzische Nationalpark mit seinen Wanderdünen, auch "Polnische Sahara" genannt, welche die Wehrmacht als Übungsgelände für das Afrika Korps nutzte. Später gibt es sogar etwas Sonnenschein. Kurz nach 13:00 legen wir in Leba an. Wir sind sehr zufrieden mit unserer Entscheidung, trotz der schlechten Vorhersage losgefahren zu sein. Der Sturm kommt über Nacht und hält uns am Montag und Dienstag auf der Impuls fest. Draußen ist es grau, kalt, nass und laut. Starker Schwell lässt das Boot in den Festmacherleinen hin und her schaukeln. Der Yachthafen bietet im Vergleich zu den bisherigen Marinas nichts Besonderes außer dem Preis, denn der ist doppelt so hoch. Der Ort ist 3 km entfernt und nicht attraktiv. Unser Suche nach Bernsteinen am Strand blieb erfolglos.

Leba (Leba) - Wladyslawowo (Großendorf)

Mittwoch 18. Mai. Beim Ablegen bemerken wir, dass die Festmacherleinen durch das starke einrucken in die Halteringe gelitten haben. Mit uns fährt ein Berliner Paar mit ihrer "Quetzal", einer Hanse 37. Sie sind deutlich schneller als wir. Die See ist ruhig und Eva kocht zum Mittag eine Linsensuppe. 16:00 legen wir in Wladyslawowo an. Die Stadt liegt am Beginn der Halbinsel Hel in der historischen Landschaft Kaschubien. König Wladyslaw IV. Wasa ließ im 17. Jh. zur Abwehr der Schweden einen Kriegshafen und eine Festung erbauen. Sie bekam den Namen Wladyslawowo. Der Hafen wurde im 20. Jh. auf Forderungen kaschubischer Fischer zum Fischereihafen ausgebaut. Heute ist der Hafen einer der größten Fischereihäfen an der polnischen Küste. In der hintersten Ecke wurden ein paar Liegeplätze für Segler installiert. Wir laufen durch die Kleinstadt, die noch auf Feriengäste wartet und essen eine riesengroße Pizza. Zurück im Hafen erzählen die Berliner von einer neuen Marina in Sopot. Wir sind neugierig geworden und beschließen, auch nach Sopot zu segeln.

Wladyslawowo (Großendorf) - Sopot (Zoppot)

Donnerstag 19. Mai. Am Morgen hat der Wind auf SE gedreht und weht mit 4-5 Bft. Wir kreuzen entlang der langgestreckten Halbinsel Hel (Hela) mit ihren Sandstränden und Kiefernwäldern. Die See ist ruhig, die Sonne scheint und so macht das Amwindsegeln heute Spaß. Am Ende der Halbinsel geht es mit halbem Wind in die Danziger Bucht. Wir segeln in der Inshore Traffic Zone, parallel zum Verkehrstrennungsgebiet (TSS) welches die großen Schiffe von und nach Gdynia und Gdansk nutzen. Weiter südlich queren wir das TSS von Gdynia und segeln durch die Ankerplätze der Großschifffahrt. Am Horizont die Hafensilhouetten der beiden großen ehemaligen Hansestädte im Dunst. Dazwischen liegt Sopot. Nach reichlich 8 Stunden Fahrt legen wir an. Pech nur das es jetzt zu regnen anfängt. Die 2011 eröffnete Marina liegt großartig am seeseitigen Ende der 511 Meter langen Seebrücke. Offizieller Name bis 1945 Großer Seesteg, heute Molo genannt. Beim Blick an Land zieht uns die prachtvolle Kulisse von Hotels, Kurhaus, Parkanlagen und dem alten Leuchturm in ihren Bann. Das mondäne Seebad Sopot gilt zu Recht als einer der schönsten Badeorte an der polnischen Ostseeküste. Auf der Hauptstraße, ul. Monte Cassino, pulsiert das Leben. Aktuell findet hier ein Chorfestival statt. In der Katholische Garnisonskirche St. Georg lauschen wir eine Weile dem Gesang. Später setzen wir uns zum Essen ins Brauhaus Browar Lubrow und sind mit dieser Wahl sehr zufrieden.
Wir fühlen uns so wohl hier, dass wir noch einen Tag bleiben. Die Stadt ist recht weltoffen, man kann sich in englischer Sprache gut verständigen. Wir haben sehr guten Internetempfang am Liegeplatz. Google verrät uns einiges über die Geschichte der Gegend und die Sehenswürdigkeiten. Wir laufen durch die Parkanlagen und entlang der ul. Westernplatte durch ein altes Villenviertel mit großzügig angelegten Gärten.

Sopot (Zoppot) - Gdansk (Danzig)

Samstag 21. Mai. Für das kurze Stück nach Danzig fahren wir erst mittags los. Es ist Samstag, in der Danziger Bucht finden zahlreiche Segelregatten statt. An der Danziger Mole geht es noch 5 sm die Tote Weichsel hinauf, vorbei am Denkmal Westerplatte und der kleinen Festung Weichselmünde, vorbei an Werften, Verladeplätzen und Liegeplätzen für große Schiffe. Es riecht nach verbrannten Gummi und Schweröl, Industrieduft eben. Als wir in den Fluss Motlawa (Mottlau) einfahren sind wir zufällig inmitten einer Schiffsparade. Im Zentrum ist dann richtig was los, heute ist Season Opening. Die Uferpromenade ist von Menschen überfüllt. Wir fahren langsam vorbei am Krantor, einem Wahrzeichen der Stadt, und bekommen in der Citymarina einen der letzten Liegeplätze. Es ist ein gutes Gefühl, mit eigenem Boot hier sein zu dürfen. Zweimal Glück gehabt, erklärt die junge Hafenmeisterin. Wegen unserer Teilnahme an der Parade erhalten wir einen gratis Liegeplatz und außerdem ist heute die Nacht der Offenen Museen. Der Trubel zieht uns in die nahe liegende Altstadt, die verwirrenderweise Rechtstadt (Glowne Miasto) heißt. Wir kommen durch das Grüne Tor, eins von 13 Stadttoren, auf die Danziger Prachtstraße, den Langen Markt (Dlugi Targ), der hinter dem Neptunbrunnen in die Langgasse (ul. Dluga) übergeht. Wenn man bedenkt, dass hier nach dem Krieg alles in Schutt und Asche lag muss man den Menschen Respekt zollen, die in den 50iger Jahren ihre Altstadt in historischem Glanz wieder errichtet haben. Die prächtigen Patrizierhäuser lassen den Reichtum von Danzig als alte Hansestadt erahnen. Wir laufen vorbei am Artushof und dem Rechtstädtische Rathaus aus dem Jahre 1561 mit dem markanten Turm, bis zum Goldenen Tor. Alles fügt sich harmonisch zu einem Kunstwerk städtebaulicher Architektur zusammen. Wie in Kopenhagen unterhalten auch hier Kleinkünstler und Musiker die Passanten. Parallel zur Prachtstraße führt uns die ul. Pivna zurück an den Fluss. Vor alten Fassaden reihen sich hier Verkaufsstände für Bernstein aneinander.



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