"Indien ist vor allem aber ein Kampf mit sich selbst und der im bisherigen Leben erworbenen Bequemlichkeit und Gewöhnung an ein Grundmass an Ordnung.
Wenn man aufhört dagegen anzuschwimmen, treibt einen Indien wie Strandgut vorbei an Plätze, die einen die Augen mit Tränen und die Taschen mit Bergen von Erfahrung füllen."


(Cinta, quadraturderreise)





Rajasthan - Nordindien

Das Reiseziel Indien steht schon sehr lange auf unserer Agenda. Vor mehr als 500 Jahren setzte Vasco da Gama als erster Europäer seinen Fuß auf dieses Land. Er war von Portugal um das Kap der Guten Hoffnung gesegelt und landete im Südwesten an der Malabarküste. Zu dieser Zeit herrschten Sultane und Maharadscha im Land. Von Nordwesten her eroberten islamischer Herrscher weite Landstriche. Es begann die Mogulzeit, die die indische Kunst und Kultur besonders in den Bereichen Architektur und Malerei prägte. Mit der Entdeckung des Seewegs nach Indien war der Grundstein für die Kolonialisierung gelegt, anfangs durch die Portugiesen, später durch die Engländer. Erst im Jahre 1947 konnte sich das Land unter Mahatma Ghandi von der Kolonialherrschaft befreien. Heute gilt Indien als eine der größten Demokratien der Welt und verzeichnet neben China das zeitgrößte Wirtschaftswachstum weltweit. Nach Schätzungen wird Indien in wenigen Jahren das bevölkerungsreichste Land der Erde sein. Das alles sind Gründe für unsere Neugierde auf Indien.


Im März 2013 wagten wir endlich den Trip und waren unterwegs mit einer Djoser Reisegruppe auf einer Rundreise durch Rajasthan - Auf den Spuren der Maharadsha. Nach zwölf Stunden Anreise trifft sich die Gruppe um 3:00 Uhr Ortszeit am Flughafen in Delhi. Es ist angenehm warm zu dieser frühen Stunde. Wir fahren durch die nächtlich fast freien Straßen zum Hotel im Stadtteil Karol Bagh.

Delhi

Das Jetlag überwindet man schnell, wenn man sich im Tagesablauf der Ortszeit anpasst. Deshalb geht es nach nur drei Stunden Schlaf und einem kargen Frühstück auf die erste Erkundungstour. Wir fahren durch Neu Delhi. Der Stadtteil wurde im Auftrag der Kolonialmacht Großbritannien am Südrand von Alt-Delhi errichtet und 1931 als Regierungssitz an die Engländer übergeben. Noch heute dienen die alten Kolonialbauten als Parlamentsgebäude und als Residenz des indischen Präsidenten. Wir besuchen Rajghat, die Gedenkstätte für den hoch verehrten Mahatma Ghandi. In einem großzügig angelegten Park befindet sich ein Gedenkstein aus schwarzem Marmor an der Stelle, an der Ghandi verbrannt wurde. Seine letzten Worte „hey ram" („oh Gott") sind als Inschrift am Gedenkstein verewigt. Barfuß umrunden wir die Gedenkstätte und schauen eine Weile den verspielten, laut quiekenden Streifenhörnchen zu. Unser nächstes Ziel ist das Grabmal des Humayun, das eins der vielen Vorgänger des Taj Mahal sein soll. Die einstige Pracht der Anlage ist nicht mehr zu entdecken aber wir genießen den Spaziergang in den schattigen Parkalleen. Highligth des Tages wird der Besuch einer Gurdwara, so bezeichnet man die Tempel der Religionsgemeinschaft der Sikh. Gurdwaras stehen allen Menschen unabhängig von ihrer Konfession offen. Mittags findet in den Sikhtempeln häufig ein kostenfreies, vegetarisches Mahl statt, das Langar. Es wird durch Spenden finanziert und von ehrenamtlich arbeitenden Sikhs selber zubereitet. Als Besucher des Tempels sind wir zum Langar eingeladen und nehmen gemeinsam mit zahlreichen Einheimischen das einfache Mittagsmahl ein. In einer großen hellen Halle sind in Abständen einfache Läufer in Reihen nebeneinander ausgelegt, auf denen man Platz nimmt. Jeder erhält ein Tablett für das Mahl und einen Löffel. Danach werden Brot und Linsen verteilt sooft man zugreifen möchte, zum Abschluss wird stark gesüßter Tee mit Milch gereicht. Auf indisch sagt man Nan, Dal und Tschai. Nach dem Mahl lauschen wir im Tempel eine Weile dem religiösen Gesang und besuchen den Garten, der von einem großen Teich dominiert wird. Die Gläubigen füttern die Fische, ein wohlgenährter Mann begibt sich zur religiösen Reinigung ins Wasser. Nach diesem beeindruckenden Erlebnis fahren wir weiter zum India Gate, einem riesigen Tor, das im Abbild dem Triumphbogen in Paris gleicht. An dieser Stelle ist der Übergang in die Altstadt Delhi aber dafür bleibt keine Zeit, es ist abend geworden. Wir beschließen den Tag mit einem gemeinsamen Abendessen im Restaurant Alpha S.P.I.C.E. Das Essen ist schmackhaft und das einheimische Kingfisher Bier löscht hervorragend den Durst.




Mandawa

Wir fahren in unserem Tourbus auf einspurigen Landstraßen mit Gegenverkehr 275 km nach Mandawa und benötigen dafür acht lange Stunden. Wie in einem Kino rauscht draußen, hinter dem Busfenster, das pulsierende Leben der Straße an uns vorbei. Am Stadtrand von Delhi sehen wir großflächige Elendsviertel. Die Menschen hausen in Zelten aus Decken oder Pappe inmitten von Müllbergen und eingehüllt in Staub. Die Slums bilden sich in Folge der Landflucht, wo ein großer Teil der Bevölkerung von weniger als einem US-Dollar am Tag leben muss. Die Landschaft zieht recht eintönig an uns vorbei, ebenes Land mit lichtem Baumbewuchs unterbrochen von bewirtschafteten grünen Feldern. Unterwegs beginnen wir, die Fahrtüchtigkeit unseres Busfahrers zu bewundern. Auf der gesamten Strecke ist ein Gewirr von verschiedensten Fahrzeugen, Fußgängern und Tieren unterwegs, denen es auszuweichen gilt. Hunde und die heiligen Kühe beanspruchen die Straßen oder ruhen mitten auf der Fahrbahn. Kamele ziehen Leiterwagen am Straßenrand. Fahrrad-Rikschas, klapprige Tuk-Tuks und total überladene Mopeds schlängeln zwischen den Autos, Lastwagen und Bussen hindurch. Mit lauten ständigem Hupen bittet jeder jeden um Achtsamkeit und es klappt, nix passiert. Gegen Mittag erreichen wir die Grenze zu Rajasthan und erholen uns bei einer kurzen Rast im Garten eines Restaurants. Wir essen Samosa, das ist eine mit Gemüse und Gewürzen gefüllte Teigtasche, die in heißem Öl fritiert wird und sehr gut schmeckt. Samosas werden häufig am Straßenrand zubereitet und sind unbedenklich zu genießen, solange sie frisch zubereitet werden. Am Nachmittag beziehen wir unser Zimmer in einem zum Hotel ausgebauten alten Kaufmannshaus, dass hier Haveli genannt wird. Das Haus ist beeindruckend schön bemalt, der Innenhof einladend. Mandawa lag um 1900 an einer alten Karawanenstraße. Die Kaufleute sind durch Handel und Wegezölle zu Reichtum und Ansehen gelangt. Als die Grenze zu Pakistan geschlossen wurde versiegte der Geldfluss und die Stadt verfiel. Aktuell bessert sich der Zustand wieder durch den jährlich ansteigenden Tourismus. Die hiesigen Havelis zeichnen sich durch ihre Wandmalereien aus, die teilweise aufwendig restauriert wurden. Sie zeigen Blumen und Tiere sowie religiöse und weltliche Motive. Neben der Darstellung der hinduistischen Götter und Szenen vom Leben bei Hofe zeugen andere Malereien mit Automobilen oder der Eisenbahn vom technischen Fortschritt. Am Abend gibt es in unserem Hotel ein vegetarisches Buffet, hier wird dienstags kein Fleisch gegessen. Zu Reis und Knoblauchbrot gibt es vier scharf gewürzte, leckere Soßen und das einheimische Godfather Bier.



Nawalgarh - Bikaner

Am Morgen fahren wir etwa eine Stunde nach Nawalgarh und besuchen das Podar Haveli Museum. Die vollständig restaurierte Fassade ist eine Augenweide und die ausgestellten Kunst-gegenstände, Möbel, Marionetten und der Schmuck zeugen von einstiger Pracht. Beim Rundgang durch den kleinen Ort befinden wir uns wieder mitten im lauten und bunten Markttreiben, eingehüllt in eine Staubschicht vom Sand der Wüste Thar. Neben dem Tuktuk-Sammelstand werden in einer Garküche Samosas frittiert. Für nur fünf Rupien das Stück greifen wir gerne zu. Der Weg führt uns weiter zu einer Anlage von Chhatris, das sind kleine Pavillons mit einer Kuppel, die von mehreren Säulen getragenen wird. Ein Chhatri wurde als Gedenkstätte wohlhabender Hindus am Ort der Feuerbestattung errichtet. Leider scheint die hiesige Anlage dem Verfall preisgegeben. Im Innenhof fühlen sich die heiligen Kühe gut aufgehoben. Gegen Mittag fahren wir weiter in die Wüstenstadt Bikaner. Die Landschaft wird eintöniger. Stundenlang führt die Straße fast geradeaus, parallel zur Eisenbahnlinie am Rande der Wüste Thar entlang. Es gibt Vegetation auf dem heißen, sandigen Boden. Zwischen Dornen-sträuchern ragen in lichten Abständen Khejri-Bäume auf, die durch ihre weiten grünen Baumkronen auffallen. Vereinzelt sehen wir kleine Ansiedlungen. Die Die ansässigen Landleute nutzen das Holz für den Möbelbau und als Feuerholz. Sie bewässern und bewirtschaften Felder stattlicher Größe und das satte Grün des jungen Getreides bietet dem Auge Abwechslung. Als wir uns Bikaner nähern säumen zahlreiche Ziegeleien den Straßenrand. In der glühenden Hitze des Nachmittags werden in Handarbeit von ganzen Familienverbänden Lehmziegel geformt und in langen Reihen in der Sonne getrocknet. Wir können auch zahlreiche Kinder ausmachen, die diese schwere Arbeit verrichten. Zum Fotografieren halten wir bei den Chhatris für die Herrscher von Bikaner aus der Mogulzeit. Die freistehenden, schmalen Säulen sind mit Ornamenten reich verziert. Sie tragen muschelgleiche Kuppeldächer aus Sandstein oder Marmor. Die Abendsonne bringt Farben ins Spiel - sie taucht den Ort in ein wunderbar warmes Licht , es entsteht eine beeindruckende Stimmung aus Ruhe und Harmonie. Am frühen Abend erreichen wir unser Hotel Raj Vilas Palace. Wir sind erschöpft von der Busfahrt, erfrischen uns kurz und speisen auf der Dachterasse des Hotels zum Abend.




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