"Wäre es das höchste Ziel eines Kapitäns sein Schiff instand zu halten, ließe er es für immer im Hafen."
(Thomas von Aquin)







2. Riga - Tallin

Riga

Wir werden mehrere Tage in Riga verbringen, weil zum Wochenende ein Sturm angesagt ist. Von unserem Schiff aus sind es nur wenige Gehminuten in die Rigaer Altstadt. Unser Weg führt vorbei am Rigaer Schloss, welches 1330 als Festung des Schwertbrüderordens errichtet wurde und heute Amtssitz des Staatspräsidenten ist. Die Renovierung ist noch nicht abgeschlossen, Besucher haben keinen Zutritt. Über die Pils iela (Schlossstraße) gelangen wir auf dem Domplatz. Vor dem Dom musizieren junge Leute mit historischen Instrumenten. Dem Dom gegenüber liegt das Gebäude der ehemaligen Rigaer Börse, welches 1852-1855 in venezianischen Palazzo-Formen der Renaissance nachgebaut wurde, was Reichtum und Überfluss symbolisieren sollte. Wir gehen nach der Dombesichtigung zum Rathausplatz mit dem beeindruckenden Schwarzhäupterhaus. Dieses Haus, zerstört im Zweiten Weltkrieg, wurde 1993–1999 für die 800 Jahrfeier der Stadt, originalgetreu rekonstruiert. Aus demselben Anlass wurden auch die vielen Jugendstilbauten der Altstadt restauriert. Hinter dem Rathausplatz kommen wir zur St. Petri Kirche, einer dreischiffigen Basilika im Stil der Backsteingotik. Wir laufen weiter am Stadtkanal durch den Stadtpark zur Nationaloper, zum Pulverturm und kommen schließlich zu den Gebäuden der Großen und Kleinen Gilde am Livu Platz. Hier, im Garten der Kleinen Gilde erleben wir ein Jazzkonzert mit jungen Musikern.
Im Bootsshop neben dem Hafenbüro fragen wir nach Seekarten für den Finnischen Meerbusen und werden auf einen Buchladen in der Stadt verwiesen. Mit dem Bus gelangen wir zur Elisabethen iela und sind beeindruckt, dass auch außerhalb der Altstadt prächtige Jugendstilhäuser das Stadtbild bestimmen. Unsere Seekarten bekommen wir nicht, dafür sehen wir in einem Park die strahlend goldenen Kuppeln der Russisch-orthodoxen Christi-Geburt-Kathedrale. Im Innenraum setzen wir uns auf eine Bank. Eva wird von einer alten Frau auf Deutsch angesprochen. Sie erzählt von sich, ist aber sehr schlecht zu verstehen. Am Ende fragt sie, ob wir nicht einen Euro für sie haben. Wer könnte da noch nein sagen. Wir besuchen noch die Gertrudenkirche und laufen entlang des Stadtgrabens zurück zum Schiff.

Die im Jahre 1201 von einem Bremer Bischof gegründete Stadt Riga wurde die Hauptstadt von Livland und später eine bedeutende Hansestadt. Im Rahmen der Ostkolonisation versuchten deutsche Bischöfe, vor allem Deutsche anzusiedeln. Militärisch wurden sie dabei vom Deutschen Orden, einer kirchlichen Organisation, unterstützt. 1581 kam Riga unter die Herrschaft von Polen-Litauen, 1621 eroberten die Schweden die Stadt und Riga wurde die zweitgrößte Stadt im schwedischen Reich. 1710 wurde es dem russischen Zarenreich einverleibt. Trotz russischer Herrschaft war bis 1891 die offizielle Amtssprache Deutsch. 1917 wurde die Stadt vom deutschen Heer eingenommen. 1918 wurde eine unabhängige Republik Lettland ausgerufen. 1941 eroberten erneut deutsche Truppen das Gebiet, 1944 erfolgte die Besetzung der Stadt durch die Rote Armee. 1990 erklärte das Lettische Parlament die Unabhängigkeit von der Sowjetunion und 2004 wurde Lettland Mitglied der Europäischen Union.
"Völker bestehen aus Menschen - nichts anderem. Menschen kommen und gehen wie die Wellen des Meeres. Eine Träne, eine Totenklage, und sie sind für immer unserem sehnsüchtigen Blick entschwunden." (Chief Seattle)

Riga - Salacgriva (Salismünde)

Montag 20. Juni. Früh wird noch schnell das Hafengeld (20€/Tag) bezahlt und getankt, dann fahren wir bei Sonnenschein auf der Daugava zum Meer. Statt vorhergesagtem Südwind weht ein schwacher NE-Wind direkt auf die Nase. Wir sind die gesamte Strecke, 10 Stunden unter Motor gefahren. Seltsam ist die Einsamkeit auf dem Meer, wir sehen weder Großschiffe noch andere Boote. Auch Fischernetze sind äußerst selten. Zweimal haben wir Glück und sichten den Kopf eines Seehundes, es sieht aus, als würde ein Maulwurfshügel aus dem spiegelglatten Meer auftauchen. Kurz vor 20:00 Uhr legen wir in Salacgriva an einem Steg mit Heckbojen an. Kurz vor uns haben zwei finnische Boote festgemacht. Ein Hafenmeister kommt zum Kassieren des Liegegelds ans Boot. Es gibt keine Sanitäranlage und kein Restaurant in der Nähe. Wir begnügen uns mit einem Hot Dog an einer Tankstelle.
Lettland hat sich uns in Kontrasten gezeigt. In Lipaja ist das sowjetische Erbe im Stadtbild nicht zu übersehen. Die Restaurants sind nur spärlich besucht. Auf den Straßen trifft man ärmlich gekleidete Menschen, Jung und Alt, kaum Touristen. Auch Ventspils scheint den Einheimischen vorbehalten, aber die Stadt wirkt etwas wohlhabender. Riga hingegen steht einer westlichen Stadt in nichts nach. Die Restaurants sind gut besucht. Die Preise sind inzwischen auf deutschem Niveau.

Salacgriva (Salismünde) - Virtsu

Dienstag 21. Juni. Wir starten 07:00 Uhr. Die ersten Stunden fahren wir unter Motor, Der Wind kommt wieder von vorn. Mittags dreht der Wind, ist aber zu schwach um zu segeln. Wir verlassen Lettland und kommen nach Estland. Bernd hisst eine neue Gastflagge. Fast unmerklich ändert sich das Landschaftsbild, die flachen Ufer mit Sandstrand weichen etwas steileren, bewaldeten Ufern mit Steinstrand. Auf unserem Weg müssen wir an vielen Inseln und Gefahrentonnen vorbei navigieren. Gegen 14:00 Uhr frischt es auf und wir setzen Segel. Mit Amwindkurs gleitet die Impuls endlich ohne Motorengeräusch durchs Wasser. Als der Wind stärker wird reffen wir. Bewölkung und Welle nehmen zu, in der Ferne sehen wir Regenschauer. Vor Virtsu beobachten wir schon von weitem den regen Fährverkehr zwischen Festland und der Insel Muhu. Der kleine Hafen für Gastyachten liegt direkt hinter dem Fähranleger. Bei unserer Einfahrt liegt eine Fähre davor, so dass wir keine Sicht auf die Schlengel haben. Die Einfahrt ist sehr schmal, backbord kleine rote Bojen dahinter Steine. Wir hatten die Leinen und Fender noch nicht draußen und im nu saßen wir auf Grund. Leinen und Fender sind schnell klariert, wir kommen ohne Hilfe wieder frei und legen am viel zu kurzen Steg an. Dann sehen wir, dass wir besser auf der Außenseite des Stegs hätten festmachen sollen weil dort längere Anleger sind - zu spät. Im Fährterminal bekommen wir noch eine Soljanka zum Abendessen. Auf dem Schiff schauen wir einen Film zur Ablenkung. Die Fähren sind erstaunlich leise, wir spüren fast keinen Schwell durch deren Manöver.

Virtsu - Haapsalu

Mittwoch 22. Juni. Wir legen 10:00 Uhr ab. Bernd steuert vorsichtig rückwärts aus dem Hafen, Eva hat den Tiefenmesser im Auge. Alles geht gut. Mit leichtem achterlichen Wind, nur mit Vorsegel, zieht die Impuls gen Norden. 11:00 Uhr liegt die Insel Kessulaid querab. 13:00 Uhr fahren wir an der Insel Kumari vorbei und 15:00 Uhr an Insel und Leuchtturm Rukkirahu. Weiter geht es auf Ostkurs nach Rohukuela dann Nordkurs entlang der Insel Hobulaid, dann wieder ostwärts nach Haapsalu. Nach einem entspannten Segeltag frischt beim Anlegen der Wind etwas auf, wir brauchen mehrere Anläufe, ehe wir am Steg mit Heckboje in der Marina Westmeri Jahisadam festliegen. Endlich eine Marina mit Ausblick auf die Natur. Wir zahlen das Liegegeld (30€!) und haben wieder kein Internet. Als man uns auch im Hafenrestaurant kein funktionierendes WLAN anbieten kann, ziehen wir die Konsequenz und gehen zum Abendessen 1,5km in die Stadt. Es bleibt hell bis nach Mitternacht.

Haapsalu - Lohusalu

Donnerstag 23. Juni. Der Hafen Lohusalu ist eine Empfehlung von der "Land in Sicht" (WLAN, Sauna, Natur). Wir starten 09:00 Uhr mit 5Bft SW Wind, viel stärker als vorhergesagt, fahren den Voosi Fairway, eine betonnte Wasserstraße zwischen Festland und der Insel Vormsi. Am Kap Dirhami sehen wir nur ein einziges Segelboot im Hafen. Irgendwo hier haben wir die 1.000 Seemeilengrenze unseres diesjährigen Törns überschritten. Eva hat Nudelsalat zubereitet. Nach dem Essen bewölkt es sich mehr und mehr. Die Regenschleier in der Ferne holen uns bald ein. Im Regen fahren wir am Kap Pakri vorbei und legen 19:00 Uhr in Lohusalu an. Am Ufer neben der Marina steht ein riesiger Reisighaufen für die Feier zur Sommersonnenwende. Das Feuer wird entzündet und brennt bis weit nach Mitternacht. Ein Volksfest mit lauter Musik bis in den Morgen nimmt seinen Lauf. Der Wind steht nicht günstig für uns, die Impuls wird von streuender Asche übersät. Am nächsten Morgen regnet es stark und das bleibt den ganzen Tag so. Wir erfahren, dass die Briten mit 51,9% für den EU-Ausstieg votiert haben. "Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt das meiste richtig." (Kurt Tucholsky)
Wir bleiben noch ein paar Tage im Hafen, müssen einkaufen, die Internetseite aktualisieren und einfach mal nichts tun.

Lohusalu - Tallinn (Reval)

Dienstag 28. Juni. Gestern hat uns dichter Nebel und prasselnder Regen im Hafen festgehalten, heute strahlt die Sonne. Das Wetter ist ideal für die Überfahrt nach Tallinn, etwas wenig Wind, aber ausreichend für das Vorsegel. Mit halbem, später achterlichem Wind dümpeln wir gemütlich mit 2-3kn Fahrt zum Kap Paljassaare, dann geht es in die Bucht von Tallinn. Unser Ziel ist die Old City Marina. Sie liegt hinter den Anlegestellen der große Fähren und Kreuzfahrtschiffe. Die freie Fahrt für Sportboote wird durch "traffic lights" signalisiert. Vor dem Hafen rufen wir auf VHF14 "Tallinn Radio 5" und bitten um Erlaubnis zur Einfahrt. Wir müssen noch etwas warten, eine Fähre legt gerade ab. Dann gibt es grünes Licht und wir fahren in die Marina. Bei der Anmeldung will man die Schiffspapiere sehen. Das Hafengeld erreicht einen neuen Spitzenwert, 45€ pro Tag. Dafür liegen wir vor den Toren der Altstadt. Die meisten Boote in der Marina kommen aus Finnland.



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