Seemannsgedanken übers Ersaufen
Ich sterbe. Du stirbst. Er stirbt.
Viel schlimmer ist, wenn ein volles Faß verdirbt.
Aber auch wir wollen erst ausgetrunken sein.
Besauft euch beizeiten.
Alle Flüssigkeiten
Finden sich wieder ins Meer hinein, ...

(Joachim Ringelnatz 1883-1934)




Lübeck - Wismar

Lübeck - Travemünde

Dienstag, 21. Juli. Wir nehmen uns noch einen ganzen Tag Zeit und bummeln durch die Lübecker Altstadt. Am späten Nachmittag gleiten wir leise mit Vorsegel bei achterlichem Wind die Trave hinunter. Die Abendsonne taucht alles in ein weiches Licht. In der Böbs Werft ergattern wir die letzte freien Box. Zurzeit ist die "Travemünder Woche", eine internationale Segelveranstaltung. Hafen- und Strandpromenade sind ein riesiger Rummelplatz. Zahlreiche Bühnen bieten Unterhaltung. Musik nach unserem Geschmack ist heute leider nicht dabei.

Travemünde

Mittwoch, 22. Juli. Kein Strom, kein Internet, Duschraum abgeschlossen und ein desinteressierter Hafenmeister. Wir verlassen fluchtartig die Böbs Werft und verlegen uns in den auf Priwall liegenden Passat Hafen. Wieder kein Internet, diesmal aus organisatorischen Gründen. Es gibt momentan keine 24h Zugangscodes. Abends setzen wir mit Fähre über und stürzen uns in das Getümmel der 126. "Travemünder Woche". Auf großer Videowand mit dem Logo des Hauptsponsors SAP kann man die Segelregatten verfolgen. Wir gehen noch zu verschiedenen Weinständen und finden immer mehr Gefallen an diesem Event. Später auf der Festivalbühne im Brügmanngarten spielt Maggie Reilly & Band. Die Schottin war Sängerin der Mike Oldfield Group und hatte Hits wie „Moonlight Shadow“ und „To France“. Sehr guter Bassist. Noch später sitzen wir rechtzeitig auf unserem Achterdeck und schauen der Lasershow und dem Feuerwerk auf der Viermastbark "Passat" zu. Ein toller Tag und ein schöner Abend gehen zu Ende.


Wir wollen mehr vom Festival erleben und beschließen, bis Montag zu bleiben. Morgens schauen wir zu, wie die Jollen routiniert zum Wettkampf rausfahren, ein schönes Bild. Vormittags erledigen wir ein paar Arbeiten rund um den Schiffshaushalt, dann setzen wir mit der Fähre über und tauchen ins Festivalgeschehen ein. Wir verfolgen einige Segelregatten auf der Videowand, spazieren über die Promenade und wählen einen Stand für Speise und Trank. Unsere Favoriten sind eine Art Spießbraten mit Senf und Krautsalat und ein Blanc de Noir an einem Weinstand aus Baden. Am Abend unterhalten verschiedene Bands auf mehreren Bühnen, enttäuscht waren wir vom Konzert des ESC Verweigerers Andreas Kümmert.
Bernd war aufgefallen, dass am Strand relativ wenige Leute waren. Der Grund lässt sich mit dem schönen deutschen Wort - Strandbenutzungsgebühr - erklären. In Travemünde sind das immerhin 2,80 € pro Person und Tag und da geht man nicht einfach mal so ans Wasser. Wir können von Glück reden, dass wir eine unbeschwerte Jugend ohne Strandbenutzungsgebührkontrolleure verbringen durften.
Allabendlich sitzen wir an Bord auf dem Achterdeck mit einem Glas Wein und schauen auf die illuminierte "Passat". Und jeder Tag endet mit Lasershow und Feuerwerk - phantastisch.

Travemünde - Timmendorf - Wismar

Montag 27. Juli. Das Wetter bleibt unbeständig aber wir wollen weiter. Wir entscheiden uns gegen die 5 Sterne Boltenhagen Marina "Weiße Wiek", weil wir nicht bereit sind, das Hafengeld von 2,40 €/m (üblich ist etwa die Hälfte) Schiffslänge plus 15% Servicepauschale zu zahlen. Wir wollen Wismar anlaufen. Laut Windfinder sollte es Wind 5 Bft aus S bis SW geben, aber er kommt aus SE. Nur mit Vorsegel können wir Offentief nicht direkt anlaufen, wir müssen uns weiter nördlich halten. Dann starten wir den Motor und fahren über Offentief Richtung Wismar. Das Werftgebäude am Horizont wirkt bei diesiger Sicht wie eine Fata Morgana. Plötzlich kommt von Süden eine schwarze Wetterwand auf uns zu, der vorhergesagte Regen. Kurzerhand ändern wir den Kurs und laufen Timmendorf auf der Insel Poel an. Als wir festliegen kommt der erste Gewitterguss runter. Wir laufen durch die kleine Siedlung rund um den Hafen. Im Strand-Café gibt es Liebesknochen, Eierschecke und Thüringer Bratwurst. Aber nicht nur das Angebot zeigt, dass wir im Osten angekommen sind. Hier laufen die Uhren immer noch langsamer als anderswo. Als das Wetter aufklart geht es für uns weiter nach Wismar. Im Alten Hafen im Zentrum gibt es keinen freien Liegeplatz, wir legen im Westhafen an. Nachdem alles festgemacht ist, fängt es erneut an zu regnen. Wieder mal Glück gehabt.

Wismar

Dienstag 28. Juli. Regen. Gegen 11:00 Uhr gehen wir Richtung Altstadt. Die Fischräucherei am Weg verführt uns zu Brötchen mit geräuchertem Heilbutt. Gestärkt besichtigen wir die monumentale St. Georgen Kirche und die St. Marienkirche, von der nur noch der 80m hohe Turm steht. In der Fußgängerzone hinter dem Karstadt Stammhaus, hier gründete Rudolph Karstadt 1881 sein Imperium, singen fünf Männer des Rostov Donkosakenchors. Einst gefeierte Bühnenstars nimmt man den Gesang heute kaum war, das Sammelkörbchen ist fast leer. Bernd erinnert es an den alten Bob Dylan Song: "And the first one now will later be last. For the times they are a-changin'".
Abends gehen wir ins "Brauhaus am Lohberg". Das urige Lokal ist bis auf den letzten Platz besetzt. Wir trinken Wismarer Mumme, ein Schwarzbier, und bestellen Rinderroulade mit Rotkohl. Nach einer Stunde Wartezeit beschwert sich Eva. Der Service zeigt Verständnis und bring eine Mumme gratis für sie. Das Essen ist sehr gut. Kaum sind wir zurück auf dem Schiff beginnt es wieder zu regnen.

Mittwoch 29. Juli. Regen. Zum Frühstück gehen wir in eine Bäckerei. Wir sind allein hier und plauschen mit der Bäckersfrau. Auf die Frage, wie es sich lebt in Wismar sagt sie: "Ich bin ja von hier, hab immer hier gewohnt. Es geht ganz gut, na ja, ich komm ja nicht weg. Ich war schon einmal verreist. Mit dem Zug nach Stuttgart, das war weit. Ja, war schön aber fremd, ich war froh, als ich wieder zu Hause war. Hier kenn ich mich aus." Dabei lächelt sie zufrieden. Wir lächeln auch und laufen zur Heiligen-Geist-Kirche, eine gotische Saalkirche mit bemalter Holzdecke und sehr schönen Fensterornamenten. Unser Weg führt vorbei am Café Glücklich und dem nach Plänen eines Utrechter Baumeisters errichteten Schabbelhaus. Über die Schweinsbrücke gelangen wir zur Nikolai Kirche, die Kirche der Schiffer und Fahrensleute. Beeindruckend ist das 37m hohe Mittelschiff.
Dem Hafen gegenüber befindet sich das Zeughaus, welches unter der Schwedenherrschaft erbaut wurde und in dem sich heute die Stadtbibliothek befindet. Heute abend ist Ringelnatz-Abend: "Jede Laune meiner Wimper". Das Programm ist keine Aneinanderreihung von Ringelnatz Gedichten, sondern eine kabarettistische Aufbereitung seines Lebens. Zum Finale Daddeldu's "Seemannsgedanken übers Ersaufen" - ein schöner Abend.

Donnerstag 30. Juli. Regen, Regen aber morgen soll es schöner werden. Wir haben Glück, denn am Abend gibt es wieder eine Veranstaltung im Zeughaus. Im Programm: "Organ meets Bigband" spielt das Landesjugendjazzorchester Mecklenburg-Vorpommern. Es macht immer wieder Spaß, jungen Leuten beim musizieren zuzusehen und zuzuhören.
Wismar hat uns durch sein Flair und das Kulturangebot angenehm überrascht.



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