"War es eine Schönheit, diese Landschaft? - Nein: da standen Baumgruppen, durch nichts ausgezeichent, das Land wurde wellig in der Ferne, versteckte ein Wäldchen und zeigte ein anderes - man freute sich im Grunde, daß alles da war ..."

Kurt Tucholsky
(1890 - 1935)
"Rheinsberg"






Bootstour durch Mitteldeutschland

Vor drei Jahren unternahmen wir eine Bootstour von Brandenburg nach Berlin auf Havel, Spree, Dahme und zurück über den Teltowkanal mit Abstechern nach Lehnin und Rathenow. Diesmal sollte es ein große Rundreise durch die Mecklenburgische Seenplatte, über Havel, Elbe und zürück über die Elde werden. Eva hatte dafür den Sportbootführerschein-Binnen erworben. Wir beschliessen, daß Eva an geraden Tagen und Bernd an ungeraden Tagen Kapitän ist...

Sa 04.Sep 10, Rechlin

Nach sieben Stunden Autofahrt erreichen wir Rechlin, einen kleinen Ort südlich der Müritz. Der Ersteinkauf im Supermarkt sichert die Grundversorgung für die nächsten Tage. Das Boot, eine Succes Marco 860AK, wird uns vom Vercharterer übergeben. Es ist gut gewartet, die Ausstattung ist zweckmäßig, einfach und praktisch. Das Abendessen nehmen wir in der Hafengaststätte zu uns. Das beste daran ist der Blick auf den See in der Abendsonne. Wir schlafen ausgezeichnet in unserer Achterkajüte, unserem neuen "Zuhause" für die nächsten drei Wochen.

So 05.Sep 10, Von Rechlin nach Rheinsberg

Unser Abenteuer beginnt mit einem ersten Frühstück an Bord. Bernd holt frische Brötchen, Eva kocht Kaffee. Die Sonne scheint, das Verdeck wird heruntergelassen - wir geniessen den Morgen. Dann heisst es "Klarmachen zum Ablegen" und 10 Minuten später sind wir "in Fahrt durchs Wasser". Vor dem Yachthafens Rechlin beginnt die Müritz-Havel-Wasserstraße (MHW, Länge 31,8 km, 4 Schleusen). Wir fahren zu Tal, die roten Tonnen sehen wir an Steuerboard. Zuerst in den Mirower Kanal, der in den 1930er Jahren gebaut wurde und die Gewässer um Mirow mit der Müritz verbindet. Weiter über den Sumpfsee bis zur Schleuse Mirow. Wir haben keine Einfahrt und müssen eine halbe Stunde an den Sportbootwarteplätzen am rechten Ufer warten. Der Hub der Schleuse ist 3m - für uns abwärts. Wir verweilen kurz bei einer Rundfahrt auf dem Mirowsee. Am Ufer gibt es sehr schöne schilfdach-gedeckte Bootshäuser, ein Revier für Angler, Paddler und Wasserskifahrer. Weiter steuern wir über den Zotzensee, Mössensee, Vilzsee zur Schleuse Diemitz, die uns 1.5m talwärts befördert. Dann queren wir den Labussee, passieren die Schleuse Canow und fahren über den Canower See, weiter zum Abzweig durch den Wolfsbrucher Schleusenkanal und die Schleuse Wolfsbruch in die Rheinsberger Gewässer. Die Schleuse Wolfsbruch wurde zwischen 1876 und 1881 im Finowkahnmaß errichtet. Sie gleicht den Höhenunterschied zwischen den Rheinsberger- und den Mecklenburgischen Gewässern aus. Der Prebelow- oder Hüttenkanal ist ein etwa drei Kilometer langer Kanal von 1881. Der Name Hüttenkanal stammt von den zahlreich vorhandenen Glashütten im Rheinsberger Gebiet, deren Produkte über den Kanal transportiert wurden. Weiter geht es über den Tietzowsee, Jagowkanal, vorbei an Zechlinerhütte in den Schlabornkanal. An einer Engstelle wird zum Hupsignal aufgefordert. Wir geben das Signal und fahren in die Engstelle ein - da kommt uns ein anderes Sportboot entgegen, das aufstoppt und uns freie Weiterfahrt gewährt. Die Besatzung behauptet, unser Signal nicht gehört zu haben .... Wir fahren weiter über den Schlabornsee in den Rheinsberger See, vorbei an dem neu erbauten Hafendorf Rheinsberg (mit Leuchtturm) und den Grienericksee an dessen Südostufer sich Rheinsberg befindet. Wir fahren direkt vor das durch die Abendsonne natürlich beleuchtete Schloss. Wir gönnen uns den ruhig beschaulichen Anblick in grün, ocker und gold und legen dann in der Stadtmarina Rheinsberg direkt neben dem Schloss an. Nach der Anmeldung beim Hafenmeister machen wir uns landfein auf zum Bummel durch die kleine schöne Stadt. Für das Abendessen wählen wir den "Ratskeller" gegenüber dem Haupteingang des Schlosses. Wir sind sehr zufrieden. Es gab Fontanes Leibgericht - Schmorbraten mit Rotkohl und Klößen.
Rheinsberg wurde bekannt durch das Buch "Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte" von Kurt Tucholsky und durch die Erwähnung in den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" von Theodor Fontane. Das Schloss war von 1736 bis 1740 Wohnsitz von Kronprinz Friedrich (dem späteren König Friedrich II. von Preußen auch Friedrich der Große oder der Alte Fritz genannt). Hier widmete er sich dem Studium der Philosophie, Geschichte und der Poesie, komponierte er seine erste Sinfonie und korrespondierte mit Voltaire.



Mo 06.Sep 10, Von Rheinsberg nach Fürstenberg

Wir gehen zum Frühstück von Bord. An der Uferpromenade lassen wir uns in der Fischräuchrei Elike frische Fischbrötchen mit geräuchertem Aal zubereiten - einfach köstlich. Dann gehts es auf zur Schlossbesichtigung. Das wird leider nur ein Rundgang denn sowohl das Schloss als auch das Tucholskymuseeum sind montags geschlossen. Dennoch kommen zahlreiche Busse und entladen ihre interessierten Touristen, die allesamt auf einmal eintreffen. Die Toilettenfrau im Schloss äußert entrüstet: "Die kommen alle zur gleichen Zeit, das geht doch so nicht - können die denn nicht ihre Ankunftszeit absprechen...". So hofft sie weiter auf bessere Organisation...
Kurz nach 11 Uhr legen wir ab, wir fahren zurück zur Müritz-Havel-Wasserstraße (MHW), also Grienericksee, Rheinsberger See, Schlabornsee, Tietzowsee, Hüttenkanal mit Schleuse Wolfsbruch und von dort in den Kleinen Pälitzsee, weiter zum Großer Pälitzsee und nach Osten über die Schleuse Strasen in den Ellbogensee. Die Schleuse wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut und hat eine Hubhöhe von 1,5 m. Am Nordzipfel des Ellenbogensees liegt der Ort Priepert. Hier endet die MHW und wir fahren in die Oberen Havel-Wasserstraße (OHW) bei km 72 ein. Von hier geht es über Ziernsee, Steinhavel, Schleuse Steinhavelmühle in den Röblinsee, weiter durch die Schleuse Fürstenberg, Baalensee, Schwedtsee zum Stadthafen Fürstenberg, in dem wir 17.30 Uhr anlegen. Wieder scheint die Abendsonne und lässt die auffallende gelbe Backsteinkirche fast gold strahlen. Die Marina liegt gegenüber dem alten Schloss von 1752, sie wirkt einladend. Am Ufer ist ein kleiner Park angelegt. Das Schloss ist eine Baustelle, es fungierte früher als Lazarett, Krankenhaus und später als Seniorenheim. Jetzt soll daraus ein Nobelhotel werden. Unser kleiner Stadtrundgang ernüchtert uns. Fürstenberg/Havel wirkt leblos - als ob die Zeiten seit Ewigkeiten stehen geblieben sind. Wir können nicht an eine Erfolgsgeschichte des geplanten Hotels glauben. Wir finden kein gastliches Haus für das Abendessen und kochen auf der Kalle. Wir erfinden kurzerhand das Gericht "Spaghetti Fürstenberg" - hier das Rezept: eine grosse Zwiebel in Würfel schneiden und in Olivenöl andünsten, Schinkenwürfel (roher Schinken) dazugeben, mit Pfeffer würzen, Salz ist durch den Schinken genung dran. Roten Paprika in dünnen Scheibchen dazugeben und weiterbraten. Schwarze Oliven in viertelchen geschnitten zum Bratensatz geben, nun 1 Frühlingszwiebel mit Lauch kleinschniden und dazugeben, dann 1 Tl Tomatenmark unterrühren und weiterdünsten bis alles schön gebunden ist. Zum Schluss eine Dose kleinst gewürfelte Tomaten dazugeben und eine Prise Zucker nicht vergessen. Das ganze dann etwas dicklich einkochen lassen und mit ein paar Spritzern Zitronensaft abrunden. Mit frischem Basilikum verfeinern und zu den Spaghettis mit frisch geriebenem Parmesan servieren - dabei kann einfach nix schiefgehen !


Di 07.Sep 10, Von Fürstenberg/Havel nach Zehdenick

Kurz nach 10 Uhr legen wir ab. Der Himmel ist heute grau. Wir fahren weiter auf der OHW zum Stolpsee. Wir sind fast allein auf dem Wasser - Die Seerosen blühen weiß. Bernd ist Skipper, er entdeckt einen Eisvogel im Ufergesträuch. Wir überraschen eine Schwanenfamilie mit 5 Jungschwänen. Wir überqueren den Stolpsee und fahren weiter auf der Havel entlang mit den Schleusen Bredereiche, Zaaren und Schorfheide nach Zehdenick. Der Himmel klart auf, die Sonne blinzelt mehr und mehr. Die Ufer sind in gepflegte Wassergrundstücke aufgeteilt. Einigen kann man den Hang zur Ostalgie ansehen. Vor Zehdenick liegen links und rechts der Havel inzwischen mit Wasser gefüllte Tongruben der ehemals 40 Ziegelwerke. Aus dem Ton dieser Gruben wurden in der Gründerzeit die Ziegel für die Städte Hamburg und Berlin hergestellt und über die Havel verschifft. Die Zehdenicker Region galt um 1800 als das größte Ziegeleirevier Europas. Gegen 17.30 Uhr legen wir an im Stadthafen direkt neben der Schleuse und der dahinterliegenden Hastbrücke (Zugbrücke). Hier kommt endlich Evas kleine Angel zum ersten Einsatz- mehrfach wird angebissen und 2x wird der Fisch auch am Haken festgehalten. Die Fischchen werden aber wieder in die Natur entlassen und einer davon hat Pech, vom Angelhaken befreit landet er vor dem Schnabel einer Ente und siehe da: Enten fressen auch Fisch!

Mi 08.Sep 10, Von Zehdenick nach Oranienburg

Am Morgen geht es durch die Schleuse Zehdenick (Hub 3m). Die dahinterliegende Hastbrücke wird automatisch mit dem unteren Schleusentor geöffnet. Wir fahren auf dem Vosskanal über die Schleuse Bischofswerder nach Liebenwalde. Hier begann früher der Finowkanal (Langer Trödel) der alten Havel-Oder Wasserstrasse. Über den nun anschließenden Malzer Kanal mit der Schleuse Liebenwalde, gelangen wir in den Oder-Havel-Kanal der Havel-Oder-Wasserstraße (HOW) bei km 40,5. Der Oder-Havel-Kanal verbindet Berlin mit der Ostsee. Der erneuerte Kanal wurde 1914 freigegeben und die alte Schleusentreppe bei Niederfinow wurde 1934 durch ein Schiffshebewerk ersetzt. Wir fahren westwärts Richtung Oranienburg zur Schleuse Lehnitz, mit 6m Hub unsere bisher größte Herausforderung. An dieser Schleuse muss man als Sportboot mit ca. 2 Std Wartezeit rechnen. Wir melden uns telefonisch an und haben Glück - man nimmt uns zur anstehenden Schleusung noch mit. Das bedeutet, wir machen zunächst als "Päckchen" an einem andern Sportboot fest, dann als es losgeht müssen wir als erste losfahren und alle anderen Sportboote an uns vorbeilassen. Wir fahren als letztes Boot in die Schleuse ein, wo alles in Dreierreihe gut gepackt lieg - uns bleibt ein Platz an der Schleusenmauer kurz vor dem Drempel - das ist ein gemauerter Absatz in der Schleuse. Es galt also das Boot sowahl vom Drempel fernzuhalten als auch gut zu fieren - was ein Stress. Alles wurde gut gemeistert und wir haben uns daraufhin ein gutes "Schleusenwasser" genehmigt. Wir fahren weiter über den Lehnitzer See und biegen steuerbord in die Oranienburger Havel ein. Der zur Landesgartenschau 2009 neu erbaute Schloßhafen hinter dem Oranienburger Schloß ist unser Ziel. Wir schwatzen mit dem netten Hafenmeister, der uns über die Vorzügen der hier unentbehrlichen Tallycard aufklärt, eine Scheckkarte für den Zugang und die Nutzung von Duschen und Toiletten. Im riesig großen Hafen liegen gerade einmal 5 Boote. Der dem Gelände angeschlossene Zeltplatz ist leer. Wir bummeln durch Oranienburg und folgen einer Empfehlung des Hafenmeisters: für das Abendessen wählen wir das Restaurant "Carollis" - sehr zu empfehlen.
1650 schenkte der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm seiner Frau Louise Henriette von Oranien die Domäne Bötzow. 1652 wurde in Bötzow ein Schloss im holländischen Stil errichtet, das den Namen Oranienburg erhielt. Der Schlossname wurde auch auf die Stadt übertragen. Die zahlreichen Wasserläufe erinnerten die Fürstin an die Grachten ihrer Heimat.


Do 09.Sep 10, Von Oranienburg nach Potsdam

Für die heutige Etappe erwarten wir Tante Doris und Onkel Hans aus Berlin zur Mitfahrt. Sie kommen mit der S-Bahn nach Oranienburg. Leider bringen sie schlechtes Wetter mit, es regnet sich ein. Wir fahren zurück in die Havel und weiter südlich vorbei an Henningsdorf mit seinem Stahlwerk. Durch den Niederneundorfer See erreichen wir das Berliner Stadtgebiet. Wir fahren ostwärts in den Tegelner See, fahren am Nordufer nach Tegel und am Südufer zurück in die Spandauer Havel. Neben der Zitadelle geht es durch die Schleuse Spandau (Hub 2,8m). Dahinter zweigt die Spree nach Berlin Mitte ab, die HOW endet hier und es beginnt die Untere Havel-Wasserstraße (UHW). Durch den Pichelsee, das Pichelsdorfer Gmünd geht es vorbei an Gatow und den Grunewald mit seinen Kaiser Wilhelm Turm, vorbei an Kladow und Schwanenwerder. Hier geht es backbord in den Großen Wannsee, doch wir fahren geradeaus in den Kladower See vorbei an der Pfaueninsel, an deren Südspitze das Lustschloss Friedrich Wilhelm II. zu sehen ist. Die Fahrt führt vorbei an der Heilandskirche Sacrow in den Jungfernsee. Hier biegen wir südlich in die Potsdamer Havel ein und fahren durch die berühmte Glienicker Brücke in die Glieniker Lake vorbei am Babelsberger Schloss in den Tiefen See zur gleichnamigen Marina in Potsdam. Über alle Sehenswüridkeiten und Landstriche hier wissen unsere Gäste Geschichten zu erzählen. Der Tag vergeht sehr schnell. Wir bringen Doris und Hans zum Bahnhof und auf dem Rückweg spazieren wir über den Alten Markt, vorbei an der Nikolaikirche. Später ergänzen wir noch unsere Vorrate aus dem Supermarkt.


Fr 10.Sep 10, Von Potsdam nach Brandenburg

Wir fahren zurück in den Jungfernsee und folgen der Unteren Havel-Wasserstraße (UHW) in den Sacrow-Paretzer Kanal. Er wurde 1876 eröffnet und verbindet die Havel an der Stadtgrenze Berlin/Potsdam (Jungfernsee) mit der Havel östlich von Ketzin. Wir durchqueren den Weißen See, den Fahrlander See und den Schlänitzsee. Bei km 32,6 endet der Kanal am Göttinsee bei Paretz und erreicht dort wieder die Havel. Kurz davor mündet aus Nordosten kommend der Havelkanal ein. Weiter geht es durch den Trebelsee. Auf einem Seitenarm der Brandenburger Oberhavel gehen wir vor Anker für eine Mittagspause. Bald sehen wir, dass schlechtes Wetter aufzieht und fahren weiter. Unterwegs fängt es stark an zu regnen. Vor der Schleuse Brandenburg sieht man fast nichts mehr vor Regennebel. Wir kreuzen vor der Schleuse bis die Sicht besser wird. Dann biegen wir ab in die Marina "Schoners Wehr". Hier haben wir vor 3 Jahren unsere Bootstour begonnen. Auf der Terasse geniessen wir vor Regen geschützt das Abendessen.




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