Volksrepublik
China





"Alle Dinge der Vergangenheit starben gestern, alle Dinge der Zukunft wurden heute geboren."
(Aus China)




China & Tibet



Es gibt noch viele Orte der Sehnsucht für uns. Als wir Ende letzten Jahres im Prospekt eine Reise zu den Höhepunkten Chinas und Tibets entdeckten waren wir uns schnell einig und haben die Reise gebucht. Im Dreieck Shanghai, Lhasa, Peking sollte es mehr als 8.000 km mit Bus, Zug, Schiff und Flugzeug durch das bevölkerungsreichste und gemessen an seiner Gesamtfläche das viertgrößte Land der Erde gehen. Am Freitag, dem 12. Januar 2018 starteten wir vom Frankfurter Flughafen den Direktflug mit Air China nach Shanghai.

Shanghai

Samstag 13. Januar. Nach elf Flugstunden landen wir im Wirtschaftswunderland auf dem modernen Flughafen Shanghai Pudong International, der aktuell über vier Start- und Landebahnen verfügt. Unser Reiseleiter Herr Yu (gesprochen Schü) empfängt die achtköpfige Gruppe und führt uns zum Bus, der uns in halbstündiger Fahrt über mehrspurig ausgebaute Straßen und Hochstraßen vorbei an riesigen Hochhauskomplexen zum Hotel bringt. Für den Abend schlägt Herr Yu einen Ausflug in die beleuchtete Altstadt vor. Im Altstadtviertel spazieren wir durch enge Gassen mit meist zweistöckigen Holzhäusern, die im traditionell chinesischen Stil erbaut sind. Die geschwungenen Dächer sind mit Lichterketten geschmückt und tauchen das Viertel in goldenes Licht. Herr Yu führt uns zu einer Apotheke, deren Inventar im Verkaufsraum auch gut in einem Museum stehen könnte. Wir sehen uralte Ginsengwurzeln und können kaum glauben, dass Chinesen dafür mehrere hunderttausend Euro bezahlen würden. Wir verlassen die Altstadt und kommen zur Uferpromenade Bund. Der Bund wurde einst von Niederländern als Deich zum Huangpu-Fluss, einem Zufluss des Jangtsekiang (kurz Jangtse oder Yangtze genannt), errichtet. Wir genießen hier den Bick auf die Skyline mit dem Oriental Pearl Tower, dem Shanghai World Financial Center, das im Volksmund auch Flaschenöffner genannt wird, und dem alles überragenden Shanghai Tower. Die Wolkenkratzer erstrahlen bei Nacht in wechselnden Bonbonfarben. Herr Yu erzählt, dass es dort, wo heute die Wolkenkratzer stehen, vor 20 Jahren nur Reisfelder gegeben hat. Wir fahren noch zur "Nanjing Lu", Shanghais berühmter Einkaufs- und Flaniermeile, die mit einer Länge von 6 km die größte Flaniermeile der Welt sein soll.

Shanghai

Sonntag, 14. Januar. Nach einem sehr guten Frühstück im Hotel starten wir unsere Tour um 9 Uhr. Wieder geht es in die Altstadt, jetzt mit Tageslicht. Am Teehaus im See führt eine Brücke im Zickzack über den Lotusteich, der unterbrochene Weg soll böse Geister abwehren denn diese können nur geradeaus laufen. Dahinter kommen wir in den Garten Yu Yuan, der 1559 in der Ming-Dynastie als "Garten des Erfreuens" mit Pavillons, Felsen und Teichen angelegt wurde. Im 19. Jh. versammelten sich Kaufmannsgilden in der Drei-Ähren-Halle. Ein Schatz des Gartens ist ein sogenannter Jadestein aus der südlichen Region des Yangtze Flusses, der mehr als 1000 Jahre alt sein soll. Der Name ist irreführend, Jadestein steht einfach für "schöner Stein".
Wie gestern fahren wir weiter zur Uferpromenade Bund. Wir laufen vorbei an zahlreichen eindrucksvollen Kolonialbauten zur stählernen Waibaidu-Brücke am Huangpu-Park. Nach dem Mittagessen besuchen wir den Jade Buddha Tempel. Inmitten von Hochhauskomplexen wirkt die kleine Anlage wie eine Oase. Sie wurde 1882 errichtet. Anlaß waren zwei Jade-Buddha Statuen, die aus Myanmar auf dem Seeweg nach Shanghai gebracht wurden. Während der Kulturrevolution wurden viele Tempel zerstört. Die Statuen blieben erhalten, weil Mönche sie hinter Mao Bildern versteckt hatten. Das Fotografieren der Statuen ist verboten, Evas Versuch scheitert am strengen Blick des Aufsichtspersonals.
Zurück am Hotel laufen wir zum Supermarkt und kaufen chinesischen Rotwein Greatwall Cabernet, er schmeckt.

Shanghai - Yichang

Montag, 15. Januar. Am Morgen fahren wir in die Neue schöne saubere Wolkenkratzerwelt zum 420 m hohen Jin Mao Tower. Das Gebäude ist ein wunderschönes Ensemble aus Stahl und Glas. Bis zur 37. Etage befinden sich Büros, weiter nach oben das Hyatt Hotel. Bernd fährt mit der Gruppe für 120 Yuan auf die Aussichtsplattform im 88 Stockwerk. Hinter Glas bietet sich eine Aussicht, die die Auffahrt lohnt. Eva trinkt unten im Park Kaffee. Nach dem Mittagessen fahren wir zum Bahnhof. Hier läuft eine Check-in-Prozedur mit Sicherheitskontrollen ab, wie wir sie nur vom Flughafen kennen. Auch der Zugang zum Bahnsteig erfolgt geregelt nach Aufforderung erst dann, wenn die ausgestiegenen Passagiere den Bahnsteig verlassen haben. Fahrkarten sind mit Namen des Reisenden versehen - spontan reisen scheint unmöglich. Unsere Fahrt nach Yichang dauert fast sieben Stunden. Nach der Ankunft haben wir 1.200 km zurückgelegt und steigen um in einen Bus, der uns in langsamer Fahrt zum Schiff bringt, das an der Anlegestelle im Stausee festgemacht hat. Wir beziehen die Kabinen und treffen uns noch auf ein Bier in der Bar. Als wir zu Bett gehen ist es nach Mitternacht.

Yichang

Dienstag, 16. Januar. Am Morgen hängen die Nebelwolken tief. Heute sollte unsere Flusskreuzfahrt durch den östlichen Teil der Xiling-Schlucht zum 3-Schluchten-Staudamm beginnen und wir sollten das 5-stufige Schleusensystem mit dem Schiff passieren. Dieser Höhepunkt der Reise entfällt für uns, die Behörden haben beschlossen, dass jetzt die von Yichang Richtung Westen gehenden Schiffe hinter dem Staudamm starten. Als Ausgleich gibt es morgens einen Ausflug zur Staumauer und Schleuse. Das Vergnügen bleibt im Nebel verborgen - die Sicht ist sehr schlecht. Dennoch beeindruckt die Anlage mit der Aussichtsplattform. Das Gelände ist überwiegend mit Azaleen und Kirschbäumen bepflanzt, wir stellen uns vor wie es hier zur Blütezeit im Frühjahr aussehen wird. Aktuell blühen Gerbera. Zurück auf dem Schiff wird geschillt bis zum Abendessen, dann wird zum Kapitänsempfang mit Sekt gebeten. Als das Spektakel zu Polonaise und Ententanz übergeht ziehen wir uns zurück. 22:30 Uhr legt das Schiff endlich ab und fährt bei Dunkelheit und Nebel durch den westlichen Abschnitt der Xiling-Schlucht. Im Ergebnis des Tages blieb die erste der drei Schluchten für uns verborgen.

Yangtze-Flusskreuzfahrt

Mittwoch, 17. Januar. Der Staudamm hat den wilden Fluß Yangtze gebändigt, der entstandene Stausee ist um die 600 km lang. An mancher Stelle wirkt der Fluß wie ein See. Vormittags fahren wir auf kleinen roten Holzbooten mit gelbem Pagodendach durch die Schluchten eines Seitenarms, den Goddes Stream, benannt nach dem nahen Berggipfel God's Peak. Einer Legende nach soll die Göttin Yao Ji mit ihren elf Schwestern einige Flussdrachen besiegt haben bevor sie selbst zu Bergen erstarrten. Die Sonne scheint und das ist ein großes Glück. Obwohl das Wasser hier 90 m aufgestaut ist wirken die Uferfelsen immer noch sehr hoch. Die Natur scheint unberührt, an den Böschungen wächst Bambus. Die hier lebenden Bergziegen, Affen und Schlangen bekommen wir nicht zu Gesicht. Nach 2 Stunden sind wir wieder auf unserem Kreuzfahrschiff, das Mittagessen ruft. In langsamer Fahrt passieren wir erst die 44 km lange Wu-Schlucht, die auch Hexenschlucht genannt wird. Wenig später fahre wir durch die 8 km lange Qutang-Schlucht, die mit 150 m Breite die schmalste der drei Schluchten ist. Die Felsen ragen hier fast senkrecht aus dem Wasser. Am Abend sind die Höhepunkte der Yangtze Kreuzfahrt Geschichte - wir müssen noch 400 km bis zum Ziel fahren. Das Schiff fährt die Nacht durch.

Yangtze-Flusskreuzfahrt

Donnerstag, 18. Januar. Das Schiff hat in Shibaozhen angelegt. Wieder beeinträchtigt dichter Nebel die Sicht, nur schemenhaft können wir unser Ausflugziel erkennen. Die 200 Jahre alte Shibaozhai-Pagode, wegen ihres Anstrichs auch rote Pagode genannt, lag vor der Errichtung des Staudammes auf einem Hügel hoch über dem Ort. Heute liegt die Anlage auf einer durch einen künstlichen Damm geschützten Insel. Zum Anwesen führt eine Hängebrücke, die schon beim Betreten den Gleichgewichtssinn fordert. Die 12-stöckige Pagode ist an einen Felsen gebaut, als ob sie sich anlehnt. Wir steigen die schmalen Treppen empor, vorbei an Austellungen, die Krieger und Szenen aus der Zeit der Qing Dynastie im Jahre 1650 darstellen. Alles sehr bunt, sehr chinesich. Auf dem Gipfel des Felsplateaus befindet sich noch ein buddhistischer Tempel und ein Kloster. Der Legende nach soll einst aus einem Spalt im Felsen beständig Reis (der Schatz) geflossen sein, von dem sich die Mönche und ihre Gäste ernährten. Doch eines Tages meißelte einer der Mönche ein größeres Loch in den Fels, um mehr Reis zu bekommen. Das war das Ende. Die Quelle versiegte und Shibaozhai, die Steinschatzfestung, wurde an diesem Ort errichtet. Am Mittag setzt das Schiff seine Fahrt fort. Der Nebel wird eher dichter als lichter, die Sicht bleibt den ganzen Tag schlecht.

Chongqing - Chengdu

Freitag 19. Januar. Morgens liegen wir am Kai von Chongqing. Wir verabschieden uns von Herrn Yu, der in wenigen Tagen eine neue 20-köpfige Reisegruppe führen wird. Unser neuer Reisebegleiter stellt uns nach der Ausschiffung seine Stadt auf einer kleinen Stadtrundfahrt vor. Nie vorher hatten wir von Chongqing gehört und erfahren heute, dass wir uns in der größten Stadt der Welt mit über 30 Mio Einwohnern befinden. Die Megastadt entstand 1997 durch Eingemeindung großer Teile der Provinz Sichuan. Die Gebietsgrenzen umfassen Agrarregionen und Ballungsräume, die zu mehreren Großstädten gehören. In der Kernstadt Chongqing leben um die zehn Millionen Einwohner. Die Handelsmetropole am Zusammenfluss von Yangtze und Jialing ist von der Regierung auserkoren, das Herz des neuen Chinas zu werden. Entsprechend wird in Infrastruktur und Wirtschaftsentwicklung investiert. Derzeit sollen 40% der weltweit produzierten Laptops von hier stammen. Wir fahren zur Volkshalle, einem riesigen Dom, der dem Himmelstempel von Peking nachempfunden ist. Auf dem großen Platz vor der Volkshalle wird der hier beliebte Volkssport Tai Chi betrieben. Unseren Besuch des Altstadtviertel Ciqikou beginnen wir in einem Teehaus mit der Verkostung verschiedener Jasmintees, die wie bei einer kleinen Teezeremonie anmutig zubereitet und dargeboten werden. Wir flanieren noch eine Weile mit tausenden Besuchern durch die engen Gassen mit Garküchen, Souvenirshops, Boutiquen und Kaffeegärten. Dann entfliehen wir dem Trubel und besichtigen den hoch über der Altstadt thronenden buddhistischen Bao-Lun-Tempel aus der Zeit der Ming-Dynastie. Der Tempel wurde lange Jahre als Schule genutzt, Teile des Tempels werden noch restauriert. Am Nachmittag geht die Reise weiter. Wir fahren mit dem Zug nach Chengdu, Hauptstadt der Provinz Sichuan. Hier begrüßt uns eine junge Frau, unser Guide für den nächsten Tag nennt sich Ewa.

Chengdu

Samstag, 20. Januar. Chengdu ist Hauptstadt der Provinz Sichuan, deren Motto "Alles Panda" lauten könnte. Der Große Pandabär gilt hier als Glücksbringer und die Souvenirläden quellen über mit ihren Auslagen an Kitsch- und Gebrauchsgegenständen im Pandalook. Wir besuchen die weitläufig angelegte Panda-Aufzuchtstation und sehen den tapsigen Tieren mit ihrem dichten schwarz-weißen Fell in den Freigehegen zu. Weil sie überwiegend Bambus fressen und dieser eher nährstoffarm ist müssen sie große Mengen zu sich nehmen und sind mehr als 10 Stunden am Tag mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt. Auch der Kleine Panda, der auch Roter Panda oder Katzenbär genannt wird, führt in der Aufzuchtstation ein geschütztes Leben.
Auf der Fahrt zurück in die Stadt erzählt Ewa aus ihrem Leben. Sie ist in einer Bauernfamilie aufgewachsen. Ungeachtet der damaligen Ein-Kind Politik haben ihre Eltern, die schon einen Sohn hatten, sie auch großgezogen. Das führte zu einer hohen Geldstrafe und war nicht selbstverständlich. Zu dieser Zeit wurden viele Mädchen vor der Geburt abgetrieben. Als Folge entstand ein Männerüberschuss. Frauen können sich ihre Partner aussuchen. Für die Partnerwahl nutzt Frau in den Ballungszentren das Internet. Männer müssen sich dort mit vielen Details ihrer Lebensumstände vorstellen, nur eine sehr gute Ausbildung und Besitzverhältnisse bieten gute Chancen. Wesentlich ist Wohnungseigentum. Ewa verliebte sich in einen Mann ohne Wohnung und bekam von ihren Eltern kein Einverständnis für die Hochzeit. Die Schwiegereltern halfen unter der Bedingung, dass sie die Wohnung mit dem jungen Paar teilen dürfen. Trotz der Hilfe wird die Rückzahlung des Wohnungskredits 20 Jahre andauern. Ewa bekam bald eine Tochter, und es gab Probleme im Zusammenleben auf engem Raum. Ein weiteres Kind möchte sie nicht mehr haben, Kinder brauchen eine sehr gute Bildung und Förderung ihrer Talente damit sie im Leben bestehen können. Das ist sehr aufwendig und teuer.
Nach einem gemeinsamen Essen besichtigen wir eine der schönsten Ecken in Chengdu - Kuanzhai Xiangzi. Auf zwei zusammenhängenden Straßenzügen hat man alte Häuser in chinesischem Baustil restauriert und modernisiert. Wir spazieren durch die beschaulichen, traditionellen Straßen mit kleinen Geschäften und zahlreichen Teehäusern und Restaurants und gönnen uns einen Kaffee mit Gebäck. Der Abend wird kurz weil wir morgen in aller Frühe nach Lhasa fliegen.



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