"Travel makes one modest, you see what a tiny place you occupy in the world."
(Gustave Flaubert)




1. Dover - Antwerpen

Dover - Dunkerque

Dienstag 08.08.2017. Am Morgen hat sich die Wettervorhersage geändert, heute soll es nur vormittags etwas regnen, der Starkregen wird morgen erwartet, danach kommt Sturm auf. Wir entscheiden uns also heute den Kanal zu überqueren. Aus dem Granville Dock kommt man frühestens 3,5h vor Hochwasser heraus und das bedeutet heute 09:00, so die Theorie. In der Praxis wird das Tor erst 09:30 geöffnet. Wieder melden wir uns bei Dover Port Control und teilen mit, dass wir zum Ostausgang, wo die großen Fähren ein- und ausfahren, raus wollen. Man teilt uns mit, dass wir einen Augenblick warten müssen. Eine Fähre kommt rein, danach werden die Traffic Lights auf Grün gesetzt und wir fahren raus. Der Kontakt mit der Dover Port Control war sehr professionell und freundlich. Wegen Regen und grauer Wolken ist die Sicht ausgesprochen schlecht. Die "White Cliffs of Dover" sind heute grau. Unser AIS hat eine Störung und zeigt keine Schiffe mehr an. Alles Bedingungen, die wir zur Überquerung der Dover Street nicht haben wollten. Wir fahren 8sm ostwärts zur Südtonne Goodwyn. Von hier aus wollen wir das Verkehrstrennungsgebiet (TSS) queren. Am Rande des TSS lassen wir noch einen Frachter vorbei, dann setzen wir Kurs auf Calais. Mit der Zeit wird die Sicht besser und gegen Mittag funktioniert auch unser AIS wieder. Nach zwei Stunden sind wir raus aus der Wasserstraße und die Anspannung löst sich langsam. Vor Calais kreuzen wir unsere alte Kiellinie vom Juni, der Kreis unseres kleinen Törns ist geschlossen. Bis Dünkirchen unterstützt uns die Strömung, wir kommen schnell voran. Bei der Einfahrt in den Hafen erinnern wir uns an den kürzlich gesehen Film "Dunkirk". 17:30 liegen wir in der Grande Large Marina fest. Wir feiern unser Erlebnis "Ärmelkanal" mit einem Abendessen im Restaurant Grande Large. Es gibt Steaks vom feinsten. Am Abend planen wir den nächsten Tag. Eigentlich wollten wir nach Cadzand, NL. Dann kam die Idee auf, nach Brügge zu fahren. Wir hatten auf der BOOT Messe einen Prospekt über Flandern bekommen, wo die stehende Mastroute nach Brügge angepriesen wurde.

Dunkerque - Zeebrugge, Brügge

Mittwoch 09.08.2017. Wir legen 10:00 bei Sonnenschein ab und fahren mit Motor und Segel gegen den Strom. Erst 14:00 kippt der Strom und geht mit uns. 15:00 liegt Oostende querab und kurz vor 17:00 erreichen wir die äußere Hafeneinfahrt von Zeebrugge. Dann steuern wir den Boudewijnkanal nach Brügge an. 17:30 stehen wir vor der Brücke bzw. Schleuse, Nach dem Anruf über VHF68 passiert nichts. Also legen wir etwas verärgert um die Ecke im Yachthafen RBSC an. Bei der Anmeldung erzählt der Hafenmeister, dass die kleine Schleuse außer Betrieb ist. Man kann bei der Schleuse für Großschiffe anfragen, ob man mit geschleust wird. Leichter ist es aber, mit Tram und Bus nach Brügge zu gelangen.
Unser Ausflugstag nach Brügge beginnt mit dem Kauf der Fahrkarten im Supermarkt. Die Verkäuferin berät uns und wir nehmen das Tagesticket für je 6€. Mit der Straßenbahn fahren wir nach Blankenberge. Hier frühstücken wir bei einem Bäcker, dann geht es mit dem Bus Line 33 nach Brügge. Da Brügge nicht durch Kriege oder Brände zerstört wurde, ist das mittelalterliche Stadtbild sehr gut erhalten. Vom Busbahnhof laufen wir durch schmale Gassen zur St Salvator Kathedrale. Die Kirche ist nicht zugänglich, nur durch ein Fenster kann man einen Teil des Innenraums sehen. Durch die belebte Steenstraat mit sehr gut erhaltenen Bürgerhäusern gelangen wir zum Großen Markt. Dominant erhebt sich der Belfried über den ehemaligen Tuchhallen. Der Glockenturm ist das Wahrzeichen der Stadt. Wir sind beeindruckt von den schönen alten Gebäuden rund um den Platz. Auf unserem Weg kommen wir am Theater vorbei, davor eine Skulptur des Vogelhändlers Papageno. Über den Jan van Eyck Platz mit dem alten Zollhaus gelangen wir an die Grachten Brügges, die hier nach dem Fluss Reie auch Reien genannt werden. Der Spaziergang führt weiter zum Fischmarkt, wo heute nur Souvenirs und Tand verkauft werden. Das Wetter wird schlechter. In einer Kunstgalerie finden wir Schutz vor einem ersten Regenguss. Dann geht es zurück zum Busbahnhof und nach Blankenberge. Wir wollen in ein Restaurant zum Abendessen aber auf Pizza oder Gyros für 18€ wollen wir dann doch gerne verzichten und versorgen uns wie heute Morgen beim Bäcker.

Zeebrugge - Breskens

Freitag 11.08.2017. Wir legen wegen der Tide erst 15:00 ab. An der Hafenausfahrt mit Gegenverkehr kommt gerade ein Frachter rein und ein manövrierbehindertes Arbeitsschiff kreuzt unseren Weg, dann sind wir aus dem großen Hafen raus. Unser Ziel ist das 10sm entfernte Cadzand. Mit Sonne, achterlichem Wind und Strömung sind wir schnell vor der Hafeneinfahrt. E. ruft an und fragt nach einem Liegeplatz für zwei Nächte - negativ. Also fahren wir weiter in den nächsten Hafen - Breskens. Auf der Westerschelde herrscht reger Betrieb. Zahlreiche Containerschiffe sind unterwegs. Die Strömung schiebt uns mit 4kn und so fahren wir 9kn über Grund. 17:30 liegen wir in Breskens fest. Es beginnt zu regnen.
Am nächsten Tag scheint wieder die Sonne. Wir schauen uns die Hafenanlage an. Auf einem Holzbalkengerüst stehen riesige rote Pinguine und überblicken den Yachthafen. Diese Kunst soll vor den Folgen des drohenden Klimawandels warnen. Die Marina liegt neben dem Fischereihafen. Hier liegt ein mit reichlich maritimem Kitsch ausgestatteter Kutter, der frischen Räucherfisch anbietet. Unsere Stegnachbarn aus Luxemburg werden von einem alten Ehepaar besucht. Danach erzählt uns die Nachbarin die Geschichte der beiden. Er, ein 90-jähriger Gentleman, und sie, eine 82-jährige britische Lady, waren mit ihren Lebenspartnern leidenschaftliche Segler. Beide hatten die Partner verloren und sich beim Verkauf ihrer Segelboote kennengelernt. Als sie sich gefunden hatten kauften sie sich ein Motorboot und genießen seitdem weiterhin das Leben auf dem Wasser. Dann weist sie auf einen freien Liegeplatz und erzählt weiter. Dort lag die Capella, das Boot des Schiffskonstrukteurs Franz Maas. Mit einer sechsköpfigen Crew nahm er an der Regatta Zeebrügge - Oostende teil. Nachts, bei 7Bft Wind, 2m hohen Wellen und starker Strömung hat die Capella ihren Kiel verloren und ist gekentert. Drei Mann konnten sich am Boot festhalten und gerettet werden. Der Skipper und zwei weitere der Crew wurden später tot geborgen. Bei der Erzählung hat die Frau Tränen in den Augen.
Am Abend planen wir unseren Weg nach Antwerpen. B. beantragt per Mail eine FD-Nummer (Financiële Dienstnummer), die man für die Schleusen in Belgien benötigt.

Breskens - Terneuzen

Sonntag 13.08.2017. Don't fight the tide - mit diesen Worten legt B. die Abfahrtszeit auf 16:00 fest. Der Zielhafen ist nur etwa 2 Stunden entfernt. E. ruft in Terneuzen und Antwerpen wegen eines Liegeplatzes an. Wegen der Schulferien sind wir sind unsicher, ob wir einen Liegeplatz bekommen. Aber kein Problem, von Terneuzen bekommen wir sogar Zugangs- und WiFi-Code per Telefon. Ebenfalls Sonntag vormittags (!) kommt aus Belgien unsere FD-Nummer per Mail. In Terneuzen angekommen bemerken wir, dass der Seglerhafen sehr klein ist und fast keinen Manövrierraum bietet. Wir sind froh, dass es beim Anlegen fast windstill ist und helfende Hände die Leinen nehmen. Vom Hafen blickt man auf die Wasserstraße Westerschelde, es herrscht reger Schiffsverkehr, riesige Containerschiffe ziehen vorbei. Ziel ist der zweitgrößte Seehafen Europas: Antwerpen.

Terneuzen - Antwerpen

Montag 14.08.2017. Am Vormittag laufen wir durch Terneuzen, das nach dem lebendigen Breskens wie eine Geisterstadt wirkt. Am Nachmittag heißt es wieder: Klar zum Ablegen. Nach der Hafenausfahrt fahren wir in die Wasserstraße und sehen voraus einen großen Containerfrachter vor Anker liegen. Als wir am Heck vorbeifahren startet er den Motor und lichtet den Anker. Nun dauert es eine Weile bis ein kleines Schiff wie unseres an einem 300m langen Frachter vorbeikommt. Aber alles geht gut, kaum sind wir vorbei legt der Riese Ruder und nimmt Fahrt auf. Wir fahren unter Motor die betonnte Wasserstraße entlang der grünen Tonnen, zum Segeln ist zu wenig Wind. In Höhe der Ortschaft Bath taucht am Horizont wieder ein Containerriese auf. Mit dem Fernglas will E. feststellen, ob das Schiff in Fahrt ist. Sieht nicht so aus, meint sie, und irgendwie scheint der Riese falsch beladen zu sein, das Heck liegt tiefer als der Bug. B. meint, das Schiff ist auf Grund gelaufen. Der Unglücksfrachter ist die Jupiter der China Shipping Line. Als wir näher kommen sehen wir viele Pilotboote entlang des Rumpfes und andere, die mit Leinen am Heck der Jupiter verbunden sind und das Schiff stabilisieren wollen. Wir kommen gut an dem Havaristen vorbei und fahren durch die riesigen Hafenanlagen von Antwerpen zur Stadt. Nur noch durch die Kattendijkschleuse und die Londenbrücke, dann fahren wir in die Marina Willemdok, wo uns der Hafenmeister mit seinem Schlauchboot einen Liegeplatz zuweist. Es ist spät geworden. Nach der Anmeldung gehen wir zum Abendessen in ein gut besuchtes Lokal am Hafen. Beim Bier vergeht die Zeit. Wir warten etwa zwei Stunden auf unser Essen und als wir wieder an Bord der Impuls sind ist es Mitternacht. Von der Jupiter lesen wir noch im Internet das der Antwerpener Hafen für ein- und ausfahrende Schiffe größer 200m gesperrt werden musste. Beim Hochwasser gelang es den Schleppern das Schiff freizubekommen ( hier ).

Antwerpen

Der 15. August ist in Belgien ein Feiertag: Mariä Himmelfahrt. Wir erkunden die Stadt und laufen die Hafenpromenade entlang, vorbei am neu erbauten Museum aan de Stroom zur einstigen Lotsenstation am Scheldeufer. Auf dem Weg in die Altstadt kommen wir zufällig an der St. Pauluskirche vorbei. Die Kirche ist geöffnet und bis auf den letzten Platz gefüllt. Es findet gerade eine Messe zu Marienehrung statt. Zum Abschluss erklingt Auguste de Boecks "O Beata Mater" mit großem Chor. Gänsehautmusik die verzaubert. Am Ende schallt der Applaus der Besucher durch das Kirchenschiff. Mit diesem Eindruck verlassen wir die Kirche und laufen zum Großen Markt, dem Zentrum der Altstadt. Neben dem prachtvollen Rathaus und den vielen alten Zunfthäusern erhebt sich im Hintergrund monumental und schön der 123m hohe Nordturm der Liebfrauenkathedrale. Vor dem Rathaus steht als Wahrzeichen der Brabobrunnen. Die Bronzeskulptur zeigt den jungen Helden Silvius Brabo, wie er die abgehackte Hand des Riesen Druon Antigon, den er zuvor im Kampf besiegt hatte, in die Schelde wirft. Heute ist der Platz voller Menschen. Es ist Rubensmarkt, der hier jedes Jahr am 15. August stattfindet. Hauptattraktion sind die vielen Verkaufsstände, deren Besitzer im Stile des 16. Jahrhunderts gekleidet sind. Als nächstes besuchen wir die Liebfrauenkathedrale, ein siebenschiffiger Bau mit Querhaus. In der Kathedrale hängen neben anderem vier Gemälde von Peter Paul Rubens. Tief beeindruckt verlassen wir den Ort und schlagen den Weg zum Hauptbahnhof ein. Wir laufen entlang zweier großer Einkaufsmeilen mit alten Kaufmannshäusern. Vor dem prachtvollen Bahnhofsgebäude, im Volksmund "Eisenbahnkathedrale" genannt, befindet sich das Diamantenviertel mit zahlreichen Juweliergeschäften. Durch das Univiertel laufen wir zurück zur Marina. Wir freuen uns, dass wir heute einen besonderen Tag in Antwerpen erlebt haben, mehr und besser geht es nicht.



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