"Hummel, Hummel –
Mors, Mors"


Hans Hummel war ein Hamburger Wasserträger, der von den frechen Straßenjungen mit dem Ruf "Hummel, Hummel" geärgert wurde. Seine missmutige Erwiderung "Ihr könnt mich mal am A... lecken" lautet plattdeutsch verkürzt "Mors, Mors!"



Hamburg


Wir beschließen länger zu bleiben. 7 Tage liegen, 6 Tage bezahlen, ergibt 16,-€/Tag - kein schlechter Preis für Hamburg City. Der Liegeplatz unserer "Impuls" ist beeindruckend. Wir liegen auf der Norderelbe direkt vor der U-Bahn Station Baumwall. Der Sporthafen ist ein Teil des Niederhafens und liegt westlich des Binnenhafen in dem die Alsterfleet einmündet. Links liegen die St.-Pauli-Landungsbrücken. Vor uns liegt das Verlagshaus von Gruner+Jahr. Dahinter ragt die Turmspitze der St. Michaelis-Kirche ("Michel") heraus. Rechts davon liegt das Slomanhaus, Kontorhaus der gleichnamigen Reederei. Weiter rechts die Niederbaumbrücke und daran schließt sich der neue Stadtteil HafenCity mit Hanseatic Trade Center und Elbphilharmonie ("Elphi") an. Gegenüber, auf der anderen Elbseite befinden sich die Musicaltheater.

Hamburg Cityhafen

Freitag 19. Juni. Regen. Schietwetter in Hamburg aber die Euphorie der Ankunft hier hält uns bei guter Laune. Nachmittags sehen wir uns im Foyer von Gruner+Jahr die Ausstellung "Was bleibt von mir, wenn ich nicht mehr bin?" an. Die Fotografin Bettina Flitner porträtierte Persönlichkeiten, die sich auf diese Frage einließen. Unter ihnen Günter Grass, Reinhold Messner, Wim Wenders. Jede Person ist auf einem großformatigen Foto abgebildet, daneben ein Zitat über Ansichten aus dem eigenen Erfahren. Die Interviews sind in Kurzfilmen präsentiert, für uns ein gelungenes Werk.
Wir gehen über die Deichstraße, mit ihren althamburgischen Bürgerhäusern zum Hamburger Rathaus. Im Innenhof findet gerade ein Event statt. Lolitas treffen sich zur "The Grand Tea Party Germany" und stellen sich den Fotografen.
Spät abends legt das Kreuzfahrschiff AIDA Sol mit Ziel Norwegen ab und fährt unter lautem Tuten an uns vorbei. Wir denken zurück, als wir von gleicher Stelle 2012 mit der AIDA nach NY ausgelaufen sind. Schön war's, aber heute möchten wir unseren Platz auf der Impuls nicht mit den Passagiere der AIDA tauschen.

Samstag 20. Juni. Vor unserem Theaterbesuch spazieren wir zum Jungfernsteig, lauschen eine Weile einem Jazz Trio und gehen um die Binnenalster zum Hauptbahnhof. Hier nehmen wir einen kleinen Imbiss und gehen dann ins Deutsche Schauspielhaus zur Vorstellung "Der Idiot" nach Dostojewski, Regie führte Karin Henkel.
"Ein guter Mensch sein, selbstlos und uneigennützig handeln, galt wohl schon zu Dostojewskis Zeiten als idiotisch. Fürst Myschkin (Lina Beckmann) kehrt von einem Sanatoriumsaufenthalt in der Schweiz, wo er als Epileptiker behandelt wurde, nach Petersburg zurück. Hochgradig naiv, unschuldig, emphatisch ist er ein „im positiven Sinne schöner Mensch“, wie Dostojewski selbst formuliert. Aber er verunsichert seine Mitmenschen, die ihm bei jeder sich bietenden Gelegenheit deutlich erklären, wofür sie ihn halten: für einen Idioten eben. Und selbst die Menschen, die vorgeben, ihn zu lieben, quälen ihn: Da ist der Kaufmann Rogoschin (Charly Hübner), den er auf der Heimreise kennenlernt, und der ihn in seine brutale Liebesgeschichte mit Nastassja Filippowna verstrickt..."
Endlich wieder Theater wie in den besten Dresdner Zeiten. Beeindruckende Bühnenbilder, hervorragende Regiearbeit und ein vortreffliches Schauspielensemble. Ein gelungener Abend. Davon wollen wir mehr und nach einem Blick in den Spielplan werden wir übermorgen wieder hier sein.

Sonntag 21. Juni. Nichts für Morgenmuffel. Der Altonaer Fischmarkt ist nur sonntags von 05:00 bis 09:30 Uhr geöffnet. Der Markt gehört zu den Touristenattraktionen Hamburgs. Auf einer Freifläche am Hafenbecken kann man ganze Körbe Obst, Blumen, Klamotten, Souvenirartikel und ein wenig Fisch kaufen. In der großen Fischauktionshalle ist Livemusik und Brunch. Die Stimmung ist mitreißend. Unglaublich, wie viele Menschen um diese Zeit schon unterwegs sind. Pünktlich 9:30 Uhr verkündet der Marktsprecher, dass der Verkauf einzustellen ist und alles abgebaut werden soll, aber so richtig kümmert das niemand. Erst jetzt wechseln zu Spottpreisen ganze Blumenkörbe und Obstpaletten den Besitzer. Wir gehen weiter zum "Schellfischposten", der Gaststätte aus der "Inas Nacht" gesendet wird. Im Fernsehen sieht alles sehr klein und eng aus, aber in der Realität ist alles noch kleiner und enger als gedacht. Wie die Kamerateams, Beleuchter und Toningenieure zurechtkommen ist rätselhaft. Nicht weit entfernt stoßen wir auf die Sushibar "Hennsler&Hennsler". Das Lokal wirkt von außen unattraktiv und alles ist recht teuer. Auf dem Rückweg gehen wir über die Reeperbahn. Die Straße ist gesperrt, denn heute ist "Hella Hamburg Halbmarathon". Am späten Nachmittag spazieren wir noch durch die HafenCity zum Osaka Kai und zum Kreuzfahrtterminal. Das Stadtviertel rund um die Elbphilharmonie ist neu und noch nicht so belebt wie die alten Stadtteile. Manches braucht halt Zeit.

Montag 22. Juni. Der Tag ist verregnet. Wir chillen an Bord. Abends sind wir kurz auf dem roten Feuerschiff LV13. Heute ist BLUE MONDAY, eine Jazz Session im Schiff. Es ist sehr voll, die Musiker sind ausgezeichnet. Gegen 22:00 Uhr besucht uns Jörg B., Schauspieler und Regisseur aus unser Dresdner Zeit und heute Dozent an der Freien Schauspielschule Hamburg. Wir sitzen bis früh um 04:00 auf der Impuls an Deck und klönen, wie in alten Zeiten. Jörg lädt uns zu einer Probe in die Schauspielschule ein.

Dienstag 23. Juni. Heute ist wieder Theatertag. Vorher wollen wir uns noch Tim Mälzers Restaurant "Bullerei" anschauen. Im Bistro essen wir eine Kleinigkeit. Das Ambiente ist sehr rustikal, hat aber durchaus Charme. Das Essen ist einfach aber lecker, dann laufen wir übers Schanzenviertel zum Schauspielhaus. Wir sehen "Onkel Wanja" von Anton Tschechow, Regie: Intendantin Karin Beier.
"Jahrelang hat Wanja (Charly Hübner) zusammen mit seiner Nichte Sonja (Lina Beckmann) das Gut der inzwischen verstorbenen Schwester verwaltet und so die Karriere seines Schwagers finanziert. Als der Professor (Oliver Nägele) auf dem Gut eintrifft, um dort seinen Ruhestand zu verbringen, begreift Wanja, dass der gealterte Wissenschaftler alles andere als eine Berühmtheit ist. Wanja fühlt sich um seine Arbeit, um sein Leben betrogen... Einzig die alte Kinderfrau weiß: Gegen Langeweile hilft Arbeit, gegen Liebeskummer Lindenblütentee und am Ende kommt der Tod."
Wieder eine gelungene Inszenierung. Als uns am Abend im Hafen jemand mit "Moin" anredet sind wir etwas verwirrt. Der Gruß Moin, wird hier prinzipiell zu jeder Tages- und Nachtzeit verwendet.

Mittwoch 24. Juni. Eigentlich haben wir von Hamburg mit seinem vielseitigen kulturellen Angebot viel zu wenig gesehen. Und so beschließen wir, eine weitere Woche in Hamburg zu bleiben. "Respekt" sagt lächelnd der Hafenmeister dazu. Wir frühstücken beim "Schanzenbäcker" und ziehen einen Vergleich zwischen Frankfurt und Hamburg. Hamburg wirkt einfach "sauberer" als die Mainmetropole. Das Theater ist exzellent und städtebaulich gefällt es uns hier auch besser. Am Abend geht es in den Michel. Im Rahmen des Hamburger Orgelsommer findet ein Konzert mit dem Münchner Organisten Peter Kofler statt. Im Programm stehen: J.S. Bach, Gabriel Fauré, Marcel Dupré und Franz Liszt. Die Kirche ist innen wie außen in einem hervorragenden Zustand. Das Innere für eine protestantische Kirche schon recht prachtvoll. Sie besitzt fünf Orgeln. Gegenüber vom Altar auf der Westempore die große Steinmeyer-Orgel. Auf der Südempore die Carl-Phillip-Emanuel-Bach-Orgel. Auf der Nordempore die Marcussen-Orgel. Hier befindet sich auch der Zentralspieltisch. Im Dachboden befindet sich ein Fernwerk, welches über eine Öffnung in der Kuppel hörbar wird. In der Krypta gibt es noch die Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Orgel. Das erste Stück, Bachs Präludium und Fuge, wird auf der Steinmeyer-Orgel gespielt. Die Pastarolen auf der Carl-Phillip-Emanuel-Bach-Orgel. Die anderen Stücke über den Zentralspieltisch mit dem Fernwerk. Die Akustik ist gigantisch. Am besten gefällt uns das Stück vom uns bisher unbekannten Gabriel Fauré. Es besitzt etwas von französischer Eleganz. Nach dem Musikgenuss essen wir eine Kleinigkeit im Portugiesenviertel.

Donnerstag 25. Juni. Wir fahren mit der U3 zum Berliner Tor und laufen zur Freien Schauspielschule Hamburg in der Gotenstraße. Jörg erwartet uns schon. Wir wohnen einer Probe mit sehr jungen Schauspielschülern bei. Jörgs Regieanweisungen klingen wie vor 30 Jahren im Dresdner Arbeitertheater. Auch Schauspielerei ist Handwerk mit viel Seele und will gelernt sein. Wenn man diesen Beruf liebt wie Jörg und seine Sache richtig gut macht, dann hat Schauspielerei etwas Zeitloses.

Freitag 26. Juni. Wir gehen über die Landungsbrücken zur Reeperbahn. Hier feiern die Harley-Biker die Hamburg Harley Days 2015. Zu hunderten lotsen die Helden der Landstrasse ihre Lieblinge aus Stahl und Chrom mit Gebrumm durch die Stadt. Wir bestaunen die teilweise merkwürdig anmutenden Bikes. Alles ist voller Lärm und wirkt unbehaglich auf uns. Bei den "Tanzenden Türmen" gehen wir zur U3 und entfliehen dem hektischen Gedränge bei einem entspannten Spaziergang am Mundsburger Kanal um den Kuhmühlenteich. Am Abend besuchen wir das Ernst Deutsch Theater. Gespielt wird Molières "Der Bürger als Edelmann" mit Dieter Hallervorden und Philipp Sonntag.
"Das Stück, 1670 in Paris uraufgeführt, ist eine zeitlose Satire auf die bürgerliche Scheinwelt, in der Statussymbole und Standesdünkel, Wahn und Größenwahn, eine Gesellschaft prägen."
Was ein Klamauk. Das schon etwas betagte Publikum hat sich ganz gut amüsiert. Wir sind im Schauspielhaus besser aufgehoben.

Samstag 27. Juni. "Planten un Blomen" ist eine etwa 47 Hektar große Parkanlage im Herzen von Hamburg. Im Musikpavillon findet heute das Open-Air Jazz-Festival "Jazz Open Hamburg" statt. Zwei Tage lang wird Jazz in einer herrlichen Parkanlage bei freiem Eintritt geboten. Erwähnenswert sind das "Elbcoast Art Ensemble", welches aus talentierten Studenten der Musikhochschule besteht, und das "Emil Brandqvist Trio" mit skandinavischem Jazz vom Feinsten. Und erwähnenswert im negativem Sinne: "RKeT" - Free Jazz zum davonlaufen. Zum Glück bietet die Parkanlage einen wunderschön angelegten Japanischen Garten, mit Teehaus und großen Wasserflächen.

Sonntag 28. Juni. Noch einmal "Jazz Open Hamburg". "Os Besouros" mit brasilianischer Musik und einem ausgezeichneten Trompeter. Der Höhepunkt am Abend die "NDR Bigband" unter Leitung von Rainer Tempel. Der Tübinger hat die wundervollen Arrangements für dieses Konzert geschrieben. Eine Hommage an den Saxophonisten Sidney Bechet. Von den Musikern seien noch die herausragenden Christof Lauer (sax) und Patrice Héral (dr) genannt.

Montag 29. Juni. Auf Empfehlung gehen wir heute ins "Miniatur Wunderland" in die historische Speicherstadt. Hier steht die größte Modelleisenbahnanlage der Welt. Auf der 1.300 Quadratmetern liegen 13 km Gleise im Maßstab 1:87 (Nenngröße H0), auf denen 930 digital gesteuerte Züge fahren. Eingeteilt ist die Anlage in die Abschnitte Schweizer Alpen, Mitteldeutschland, Knuffingen Airport, Österreich, Hamburg, USA und Skandinavien. Modellbau für die großen Kinder. Bisher 13 Millionen Besucher sprechen für sich.
Am Abend ist BLUE MONDAY Jazz Session auf dem Feuerschiff LV13. Diesmal wird auf dem Deck gespielt. So können wir gemütlich auf unserem Boot bei einer Flasche Wein sitzen und der Musik lauschen.

Dienstag 30. Juni. Großwetterlage: Aus Süden strömt sehr heiße Luft ein, eine Hitzewelle bahnt sich an. Bernd bereitet die morgige Abfahrt vor. Karten studieren, Tideberechnung etc. Eva fährt nach Altona (bis 1938 selbständige Stadt). Ihre Eindrücke vom Rathaus, dem Stuhlmannbrunnen und der Kirche St. Petri hält sie auf Fotos fest. Am Abend läuft die "Queen Mary 2" nach Southampton aus. Vor der Elphie dreht sie und fährt dann an der City-Marina vorbei. Später sitzen wir bei einer Flasche Wein an Bord der Impuls und schauen der Sonne beim untergehen zu.

Tschüss Hamburg und danke für die schöne Zeit.



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