A ship in harbor is safe, but that is not what ships are built for.
(John A. Shedd)









Defzijl-Hamburg


Nach der stehenden Mastroute geht es über die Außenems in die Nordsee.

Delfzijl - Borkum

Donnerstag 11. Juni. Die Gezeiten bestimmen die Abfahrtszeit. Null bis drei Stunden nach Hochwasser (HW) Delfzijl ist optimal. Wir starten 09:00 Uhr und fahren den rund 3sm langen Zeehavenkanaal zur Hafenausfahrt. Es ist sonnig und windig. Wir segeln mit einem Reff bei 18kn Wind aus NNE und ziemlicher Schräglage, der Strom schiebt 3kn in der Emsmündung, unsere Logge zeigt 9,5kn - wir fliegen. Mittags legen wir im Burkana Hafen an. Eva und Otto vertreten sich die Füße beim Landgang. Im Borkumer Schutzhafen liegt als Museumsschiff das letzte bemannte deutsche Feuerschiff Borkumriff IV, das bis 1988 vor der Insel im Dienst war. Der Name des Schiffs hat seinen Ursprung von der großen Sandbank „Borkum-Riff“, die nordwestlich der Insel den Schifffahrtsweg in der Emsmündung teilt. Bei ruhigem Wetter zeigen weiße Schaumkämme die tückischen Untiefen an, wenn es stürmischer wird muss sich der Schiffsführer auf Seezeichen verlassen. Heute ist die Sandbank durch ein unbemanntes Feuerschiff gekennzeichnet. Wir laufen weiter zum Fähranleger und zur Jugendherberge. Das riesige Gelände war einst dem Militär vorbehalten. Borkum wurde Anfang des 19. Jahrhunderts zur Seefestung ausgebaut und nach dem Krieg zum Marinestützpunkt. Erst 1997 stellte das Militär seine Aktivitäten auf Borkum ein.

Borkum - Norderney

Bernd hat den Segeltag vorbereitet. Die ersten 14sm bis Ansteuertonne Riffgat wollen wir mit ablaufenden Wasser segeln, mit einlaufendem Wasser vorbei an Juist. Wir müssen also 2-3h vor Niedrigwasser Borkum los. Beim Start 11:00 Uhr ist es windstill. Das ändert sich sobald wir Borkum achterlich querab aus den Augen verlieren und wir können gut segeln. Wegen NE Wind müssen wir kreuzen, trotz vieler Seemeilen gewinnen wir kaum an Höhe. Aus Zeitgründen wird der Motor angemacht und Kurs auf Tonne S1 Fahrwasser Schluchter gelegt. Leider gibt es diese Tonne momentan nicht! Wir nehmen Kurs auf Tonne D5/S8 Fahrwasser Doventief. Da wir nahe HW sind gibt es keine Probleme. Dann folgen wir dem Fahrwasser bis zur Hafeneinfahrt. Beim Anlegen treiben wir mit dem Bug ab und holen uns eine Schramme. Die Fingerstege sind schlecht konstruiert. Die Festmacher ragen seitlich heraus. Aber der Hafen ist groß, modern und einladend, der Hafenmeister ein Original. Auf die Frage nach WLAN gibt es stolz die Antwort: "Ja Internet haben wir hier. Für jedes Schiff gibt es aber nur eine Anmeldung, sonst reicht es nicht für alle". Trotzdem ist der Internetempfang an unserem Steg katastrophal, aber immerhin gibt es einen Brötchenservice. Wir laufen einen Pfad entlang Richtung Stadt und kommen an einer Wiese mit hunderten Kaninchen vorbei. Ein alter Einheimischer gesellt sich zu uns und erzählt uns von der Plage. Die Kaninchen höhlen die Deiche aus und sind deshalb mehr als unbeliebt hier. Voller Neid blickt der Alte auf Juist, weil dort noch keine Kaninchen heimisch sind und er sagt schelmisch, dass er gern ein Pärchen nach Juist aussetzen möchte.

Norderney

Das Wetter hält uns noch zwei Tage hier fest. Am Samstag gehen wir ins Conversationshaus und erleben ein gutes Irish Folk Konzert mit "The Stokes". Eva diskutiert mit dem Hafenmeister Überlegungen zum weiteren Törn. Wir erfahren, dass die meisten Segler auf dem Weg nach Hamburg entweder Helgoland oder direkt Cuxhaven ansteuern. Wir entscheiden uns für die 72sm nach Cuxhaven. Bernd stellt mehrere Berechnungen an. Egal wie wir fahren, wir werden auf einem Teil der Strecke den Tidenstrom gegen uns haben. Unsere Überlegungen zur Ablegezeit durchkreuzt der Hafenmeister im tiefen Bass kopfschüttelnd mit den Worten: "keine gute Idee". Zur Abfahrt 2:00 Uhr gibt er zu bedenken, dass das Fahrwasser nur spärlich beleuchtet ist und bei aktueller Sicht und Seegang die Nachtausfahrt vermieden werden sollte. Das Ablegen 4:00 Uhr vereitelt er mit dem Hinweis, dass der Tidenstrom vor Cuxhaven zu stark sein würde. Letztendlich legt Bernd die Abfahrt für 9:00 Uhr fest. Zwei Stunden vor HW Norderney haben wir zu Beginn der Fahrt für etwa 2 Stunden den Strom gegen uns, dafür sind wir ausgeschlafen und haben gute Sicht.

Norderney - Cuxhaven

Montag 15. Juni. Wir starten wie geplant und fahren unter Motor bis Ansteuertonne Dovetief. Durch den NW Wind entsteht eine starke Dünung, die Impuls rollt und stampft über die bis 3 Meter hohen Wellen. Es ist stark bewölkt und den Wind haben wir direkt auf der Nase. Wegen des weiten Weges entscheiden wir uns gegen das Aufkreuzen und fahren weiter unter Motor bis zur Ansteuertonnen Accumer Ee, dann setzen wir Segel. Eine gefühlte Ewigkeit segeln wir an Langeoog vorbei. Der Himmel klart auf und spärlich läßt sich sogar die Sonne sehen. Der vor uns fahrende Motorsegler, der mit uns abgelegt hat und auch bis Cuxhaven fahren wollte, verlässt uns hier, er geht vermutlich nach Wangerooge. Die Wellen sind recht heftig. Wir reffen nochmals das Vorsegel. Die Fahrwasser Jade und Weser queren wir mit Motorunterstützung. Es sind zahlreiche Großschiffe unterwegs. Wir schalten VHF 71 "Cuxhaven Elbe Traffic" ein. Wir liegen gut in der Zeit. Auf der Außenelbe von Tonne 1 bis 31 ist der Strom gegen uns. Der letzte Teil der Strecke zieht sich. Wir fahren hart Sb, manchmal außerhalb der Betonnung weil viele Großschiffe Platz beanspruchen. Als wir nach knapp 13 Stunden Fahrt Cuxhaven erreichen ist es dunkel. Wir suchen uns einen geschützten Platz und liegen kurz vor 22:00 Uhr fest. Die Hafengebühr wird am Automaten gezahlt, dann gibt es noch eine schnelle Linsensuppe und ab geht es in die Kojen.

Cuxhaven - Glückstadt

Am Morgen schleicht sich Eva von Bord um Brötchen zu kaufen. Der Weg führt hinter dem Jachthafen über einen Deich. Hinter der breiten Deichstrasse reihen sich schön restaurierte Bürgerhäuser aneinander. Ein Schild heißt Eva "Willkommen im Lotsenviertel". Früher durfte kein Lotse weiter als 1km von der Lotsenversetzstelle an der "Alten Liebe" entfernt leben. Dieser Umstand gab dem Stadtteil seinen Namen. Die Brötchen sind im Kaffeehaus schnell eingekauft. Zurück am Schiff sind die Männer schon mit den Vorbereitungen zum Ablegen beschäftigt. Eva kann nicht überzeugen, sich Zeit für einen Bummel zu nehmen. Tagesziel ist heute Glückstadt am Nordufer der Elbe. Die Distanz zwischen Cuxhaven und Hamburg wird hier geteilt. Der Hafen kann bei jeder Tide angelaufen werden. Wir kommen gut los und bei achterlichem Wind mit dem Vorsegel und 3kn Strom mit uns, gut voran. Nach Tonne 75 queren wir das Fahrwasser und fahren in die Glückstädter Nebenelbe hinter die Rhinplatte. Hier gibt es regen Fährverkehr zwischen Glückstadt und Wischhafen. Unterwegs überholt uns die "E-Ship 1". Ein Frachtschiff, das neben einem Dieselantrieb zusätzlich über einen Antrieb mittels Flettner-Rotoren verfügt. Die Männer schwelgen in technischen Diskussionen bis wir im Außenhafen vor dem Sperrwerk anlegen. Der Name Glückstadt und die Fortuna im Wappen der Stadt standen sinnbildlich für den Plan des Stadtgründers Christian IV. (König von Dänemark und Norwegen und Herzog von Schleswig und Holstein), hier eine uneinnehmbare Festungsstadt und einen Gegenpol zu Hamburg zu errichten. Von der Festung steht heute nur noch eine Ruine in der ehemaligen Schlossanlage. Im alten Stadtkern sind viele historische Gebäude erhalten und restauriert. Die Stadt gilt als das Mekka der Matjesfreunde. Am Marktplatz vor der Kirche biegen wir rechts ab zum "Plotz" und essen frische Matjes-Brötchen.

Glückstadt - Hamburg

Otto und Bernd gehen noch einmal in die Stadt zum Cafe Klingbeil Schwarzwälder Kirschtorte essen. Mittags legen wir ab. Südlich der Rhinplatte ist das Wasser ziemlich flach, aber alles geht gut. Bei Tonne 85a queren wir das Hauptfahrwasser. Vorbei am Buetzfleder Hafen und der Schwingemündung, immer auf die großen Pötte achtend. Nach Wedel und Blankenese passieren wir an Sb die riesigen Hafenanlagen von Hamburg. Da wird es richtig belebt, zahlreiche Fähren, Lotsenboote, Frachtkähne, Barkassen, Fahrgastschiffe und die großen Pötte geben sich auf der Elbe ein quirliges Stelldichein. Am Musicaltheater geht es Bb zur Citymarina. Wir liegen mitten in der Stadt, vor uns die neue Elbphilharmonie, querab das Gruner+Jahr Verlagshaus und dahinter der Michel, zu Fuß keine 10 Minuten entfernt. Wir haben es geschafft auf eigenem Kiel nach Hamburg zu kommen. Ein wenig stolz sind wir schon. Nach dem Anlegerbier mustert Otto ab. Wir gehen ins Portugiesenviertel, essen Pizza und trinken Wein.
Noch etwas Statistik: Muiderzand - Hamburg in 11 Tagen, davon zwei Ruhetage wegen schlechtem Wetter. Wir sind 326sm FüG (Fahrt über Grund, gemessen mit GPS) bzw. 300sm FdW (Fahrt durchs Wasser, gemessen mit Log) gefahren. Ursache für die Differenz ist der Tidenstrom.



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