Terschelling
Die Farben der Flagge werden in einem Gedicht beschrieben:

Rot sind die Wolken
Blau ist der Himmel
Gelb ist der Strandhafer
Grün ist das Gras
Weiß ist der Sand
Das sind die Farben von Terschellingerland


Waddenzee II

Als sich die Wetterlage Ende September etwas bessert fahren wir wieder nach Muiderzand und wollen einen weiteren Versuch starten, doch noch die Waddenzee zu erkunden. Bei Regen und Gewitter haben wir Zeit für Einkauf und Vorbereitung auf die Tour.

Muiderzand - Hindeloopen

Donnerstag, 25. September. Wir legen um 10:00 Uhr ab. Der Himmel ist wolkenverhangen. Bei halbem Wind von 12kn kommen wir mit unserer Genua gut voran. Gegen Mittag liegt der Leuchtturm Marken backbord querab. Dann frischt der Wind auf, bei 22 Knoten reffen wir das Vorsegel und erreichen bald das Naviduct Enkhuizen. Wir haben hier schon oft starken Wind erlebt und auch heute kommen wir uns vor, als wäre eine Winddüse angeschaltet worden, die uns an den Wartesteg drückt. Beim Ablegen vom Wartesteg rutschen die Fender hoch und unsere Impuls ist fortan durch einen langen Kratzer gezeichnet. Auch am Nachmittag treibt uns der Wind mit 6Bft voran, trotz Reff zeigt unser Log zeitweise 7 Knoten an. Wegen relativ hoher Wellen von der Seite kann der Autopilot den Kurs nicht halten. Bernd übernimmt und steuert uns gegen die Wellen sicher in den Gemeindehafen Hindeloopen. Der alte Hafenmeister in schmucker Kapitänsuniform weist uns einen Platz an der Mole zu. Wir legen seitlich an. Nach uns kommen noch viele Einhandsegler, die vom Hafenmeister eingewiesen werden. Er fordert auch zur Päckchenbildung und Hilfeleistung auf. Einziges Manko: es gibt hier kein WLAN. Wir laufen noch durch die Stadt. Die schönen alten Häuser, Grachten und Klappbrücken hellen unsere Stimmung auf, wir essen Pizza zum Abend und gehen früh schlafen. Es regnet wieder.

Hindeloopen - Harlingen

Freitag, 26. September. Als wir früh gegen 7:00 Uhr aufstehen sind die meisten Einhandsegler schon wieder weg. Auch wir legen bald ab. Bei Nieselregen und sehr schlechter Sicht wegen Nebel motoren wir etwa eine Stunde zur Schleuse Kormwerderzand. Es ist ein wenig mystisch. Nachdem wir die Schleuse problemlos passiert haben hört es auf zu regnen und der Nebel lichtet sich. Mit Westwind 4Bft segeln wir bis nach Harlingen. Der Strom ist mit uns und schenkt uns 1 Knoten Fahrt. Schon gegen Mittag sind wir an der Schleuse vor der Stadt. Wir müssen warten, weil die Schleusentore bei Hochwasser geschlossen bleiben. Die Wartestege füllen sich, Sportboote und einige Traditionssegler warten auf die Zufahrt zur Stadt. Nachdem wir die Schleuse passiert haben biegen wir nach steuerbord ab zum Zuiderhaven. Wir müssen kurz warten, bis die Klappbrücke offen ist. Die Zufahrt ist sehr eng, es gibt fast keinen Platz zum manövrieren. Die freien Liegeplätze sind auch nicht leicht auszumachen. Bernd fährt langsam auf das Hafenende zu als hinter uns das Signalhorn eines Traditionsseglers laut dröhnt. Wir erschrecken natürlich, aber es gab keine Gefahr, der Skipper wollte nur schneller zu seinem Liegeplatz kommen. Am letzten Steg des Hafens finden wir schließlich unseren Liegeplatz. Es gibt hier wieder kein Internet, nicht mal Duschen. Aber die alte Hafenstadt ist sehenswert. Beim Bummeln entlang der Grachten und Hafenanlagen wird der Blick immer wieder von schönen alten Handelshäusern eingefangen.

Harlingen - Terschelling

Samstag, 27. September. Heute scheint endlich die Sonne. Wir fahren im Konvoi mit mehreren Lemsteraaken aus dem Hafen durch die offene Schleuse ins Wattenmeer. Der Anblick überwältigt uns. Der wolkenlose Himmel lässt das ruhige Wasser bis zum Horizont satt blau aussehen. Klar zeichnen sich die Seezeichen zur Kennzeichnung der Fahrstraße ab. Hunderte von weißen Segeln runden das Klischee ab. Der Wind ist so schwach, daß wir vorerst unter Motor bleiben. Steuerbord sind hinter den Tonnen der Wasserstraße nochmal rote Stangen, auf denen sich Kormorane niedergelassen haben. Plötzlich stockt die Impuls leicht - Grundberührung, Bernd nimmt sofort Gas weg. Das Seezeichen für 30m Abstand halten mit dem Hinweis, "Stenen Dam" hatte Bernd wohl gesehen, nur das rechte Augenmaß für 30m war abhanden gekommen. Es scheint alles noch mal gut gegangen zu sein, jedenfalls setzen wir unser Vorsegel und kommen gut voran. Vor dem Slenk haben wir 2,5 Knoten Gegenstrom. Kompasskurs und GPS-Kurs weichen stark voneinander ab. Ursache ist der Versatz durch den Gezeitenstrom. Der Kompasskurs gibt die Richtung der Kiellinie an, während der GPS-Kurs die wahre Fahrtrichtung des Schiffes angibt. Wir bergen das Segel und fahren unter Motor zum Jachthafen West-Terschelling. Ein Hafenmeister im Schlauchboot weist uns einen Liegeplatz zu. Der Hafen ist nicht groß. Es ist Nachsaison und noch viel Platz. Wir können uns aber das Gewimmel hier zur Hochsaison gut vorstellen. Wir bleiben zwei Nächte. Am Sonntag leihen wir uns Fahrräder und fahren über die Insel. Unser Radweg führt hinter der Stadt in eine weitläufige, hügelige Dünenlandschaft und durch Küstenwälder nach West aan Zee. Das ist eine Ansiedlung von Ferienhäusern vor dem Nordseestrand. Wir laufen über die Dünen und den breiten feinsandigen Strand zum Wasser. Kleine Brandungswellen umspülen die Füße, zahlreiche Besucher genießen wie wir den Tag am Meer. Über Midsland, eine beschauliche kleine Ortschaft, fahren wir zurück nach West-Terschelling. In einem Straßencafe am Fährhafen lassen wir uns Kaffee und Cranberry Tart, serviert mit reichlich Schlagsahne, schmecken. Zu den Beeren gibt es eine Geschichte. Amerikanische Segelschiffe führten gegen Skorbut Cranberries in Fässern mit Wasser mit. 1845 soll ein solches Fass auf der Insel angespült worden sein. Der Finder, der nur an dem Fass interessiert war, kippte den Inhalt in die Dünen. Dort schlugen die Cranberries Wurzeln und so gibt es Heute gewerbliche Anbauflächen auf Terschelling.

Terschelling - Texel

Montag, 29. September. Unser Weg führt weiter durchs Watt nach Texel. Die Passage via Slenk, West Meep, Inschot, Scheurrak/Omdraai ist nur bei Hochwasser befahrbar. Bernd legt unsere Startzeit auf 3h vor HW fest. Heute sind wir fast allein im Wattenmeer unterwegs, nur wenige Berufsschiffer kreuzen unseren Weg. Es ist diesig, die Sicht ist schlecht, es scheint, als hätten sich die Wolken auf den Meeresspiegel gesetzt. Der Wind ist schwach und kräuselt kaum das Wasser. Wir bleiben unter Motor. Auf halber Strecke taucht in der Ferne ein "schwimmendes Haus" auf, das wir später als Gasplattform erkennen. Später wird der Nebel dichter, die Sichtweite sinkt auf unter eine Seemeile und der Wind schläft ganz ein. Plötzlich taucht aus der spiegelglatten Wasseroberfläche ein Seehundköpfchen auf, das Schauspiel wiederholt sich noch ein paar mal. Am frühen Nachmittag legen wir im Oudeschild Waddenhaven Texel an. Der Yachthafen liegt etwas abseits vom Fischerei- und Fährhafen. Ein kurzweiliger Rundgang vorbei am Hafen durch die Gassen des Fischerortes ist schnell getätigt. Auf Empfehlung des Hafenmeisters essen wir im Fischgeschäft "Vispaleis en Rokerij Van der Star". Die Bedienung ist sehr freundlich, wir wählen die Fischsuppe und Lekkerbek (Backfisch) von der Scholle. Es hat so gut geschmeckt, dass Eva das Lokal im Internet mit fünf Sternen bewertet.

Texel - Den Helder

Dienstag, 30. September. Wir können erst mittags ablegen weil unsere Startzeit von den Gezeiten abhängig ist. Anders als gestern weht uns der Wind heute aus West mit 6 Bft direkt auf die Nase. Dazu haben wir mittlere Wellen mit brechenden Schaumköpfen. Wir haben keine Lust bei diesem Wetter aufzukreuzen und motoren gut eine Stunde mit der Strömung über das Marsdiep nach Den Helder. Eine Anlage mit Freifallrettungsbooten setzt einen Farbtupfer in das eintönige Wettergrau. Wir passieren den großen Marinehafen und fahren im Nieuwe Diep weiter zur Schleuse Koopvaarderschutsluis. Wir fragen per Funk an, ob wir einfahren können und werden gebeten zu warten. Ein riesiger Lastkahn fährt rein und die Schleuse scheint voll. Wir wollen schon an der Wartestelle festmachen, da meldet sich der Schleusenmeister und fragt nach unseren genauen Schiffsmaßen. Nach kurzer Zeit werden wir aufgefordert, in die Schleuse einzufahren und neben dem Lastkahn festzumachen. Der Schleusenwärter hat exakt gerechnet. Zwischen Lastkahn und Schleusenwand passen wir gerade so hinein. Die Millimeterarbeit zwingt zur Konzentration, alle Beteiligten handeln äußerst achtsam. Hinter der Schleuse biegen wir hart steuerbord ab zum Yachthafen "Marine WV" am Nieuwe Diep. Der Weg in die Stadt ist lang, die Häuser eintönig im Stil der 60iger Jahre, es gibt kaum Altbauten. Wir laufen zum Bahnhof und über die Einkaufsstraße zurück. Wir kommen am Marinemuseum vorbei. Die Außenanlagen und großen Schaufenster wecken Neugierde, für einen Besuch ist es leider schon zu spät.
Napoleon wollte Den Helder aufgrund der guten Lage zu einem "Gibraltar des Nordens" ausbauen. Heute ist Den Helder Stützpunkt der Königlich Niederländischen Marine. Hier befindet sich der wichtigste Marinehafen Hollands. Rund 145 Offshore-Plattformen werden von Den Helder aus per Hubschrauber und Schiff mit Besatzung und Vorräten versorgt.

Den Helder - Alkmaar

Mittwoch, 1. Oktober. Unser Weg nach Amsterdam führt weiter auf dem Noordhollandsch Kanaal. Dieser Kanal wurde einst als Verbindung der Nordsee mit Amsterdam angelegt. Seit Eröffnung des Nordseekanals 1876, welcher Amsterdam mit westlicher Richtung mit IJmuiden verbindet, verlor er seine Bedeutung. Wir legen kurz nach 9:00 Uhr ab, wieder umhüllt uns leichter Nebel und wieder sind wir allein unterwegs. Per Funk bittet Eva um Öffnung der Kooybrug. Eine freundliche Männerstimme antwortet deutlich: "Segelyacht ick mach auf vor dir". Die großen Laster stoppen, die Brücke geht auf und die kleine Impuls fährt unten durch. Diese Kleinigkeiten machen Holland so liebenswert. Das Gebiet hinter den Kanalufern ist landwirtschaftlich genutzt. Auf großen Weideflächen tummeln sich Kühe und Schafe. Der Wasserspiegel des Kanals liegt teilweise höher als die Umgebung und so schwebt unser Schiff über die Wiesen. Windmühlen alter und neuer Generation runden das Bild ab. An der Vlielandbrug müssen wir warten, ein Schlepper mit Ponton will vorbei. In seinem Kielwasser passieren wir die Brücken bis Alkmaar ohne Wartezeiten. Leider können wir in der Stadt nicht halten, alle Anlegeplätze sind besetzt. Wir fahren weiter zum Alkmaarder Meer am km33 und machen beim Yachtclub A.R.Z.V. fest. Der Hafen ist voll aber nicht belebt. Viele Boote sind schon winterfest eingepackt.

Alkmaar - Amsterdam - Muiderzand

Donnerstag, 2. Oktober. Die Sonne lockt uns aus den Kojen, es ist fast sommerlich warm und still ruht der See. Beim Frühstück in der Plicht genießen wir nochmal die Stimmung und legen ab. Nach dem Alkmaarder Meer gibt es eine Verzweigung, wir entscheiden uns für den Weg durch Zaandam über den Fluss Zaan. Am Fluss entlang sind alte sehr gut erhaltene Windmühlen aneinandergereiht wie auf einer Perlenschnur. Als wir nach Zaandam kommen ist die Luft erfüllt vom verführerischen Duft von Schokolade und Vanille. Zaandam steht ganz im Zeichen des Kakao. An den Ufern sind prächtige alte Fabrikgebäude zu bestaunen. Die Region ist eine der bedeutendsten und ältesten Industrieregionen Hollands. Seit mehr als 100 Jahren sind hier Kakaofabriken angesiedelt, die bis heute mit der neuen Ernte beliefert werden.
Um den holländischen Schiffbau zu studieren besuchte 1697 der russische Zar Peter I. Zaandam inkognito. 1718 kam er noch einmal ganz offiziell hierher. Das Haus in dem der Zar wohnte, wurde später vom niederländischen König Wilhelm I. gekauft und seiner russischstämmigen Schwiegertochter, der späteren Königin Anna Pawlowna geschenkt. Der Besuch des Zaren in Zaandam wurde in Albert Lortzings Oper „Zar und Zimmermann“ (1837) verarbeitet.
Hinter Zaandam passieren wir die Middensluis, und gelangen über den Zijkanaal G in den Noordzeekanal. Ab hier kennen wir uns wieder aus. Wir wollen nochmal nach Amsterdam reinschauen, deshalb bleiben wir noch eine Nacht im Sixhaven. Hier wird gebaut, die Stege werden erneuert. Am nächsten Tag ist der Himmel wolkenlos. Wir segeln bei herrlichem Spätsommerwetter auf bekanntem Terrain nach Muiderzand. Neun Tage waren wir unterwegs und sind etwa 155 Seemeilen gefahren. Beim ersten Anlauf gescheitert, aber jetzt haben wir es geschafft.

Saisonende

Langsam neigt sich die Saison dem Ende zu. Die ersten Boote werden aus dem Wasser geholt und auf den Parkplatz gestellt. Die Marina wird umgestaltet. Die angenehmen Holzstege werden durch schwimmende Plastikstege ersetzt. Wir müssen uns auf einen anderen Liegeplatz verholen. Dort gibt unser Batterielader den Geist auf. Ein Varistor ist durchgebrannt. Zum Glück kann Bernd das Problem beheben. Auch diesen Winter soll das Schiff im Wasser bleiben. Wir lassen noch den Motor warten und machen es winterfest. Im Frühjahr wollen wir es aus dem Wasser nehmen, um das Antifouling zu erneuern.
"Deutschland altert. Die neue Herausforderung für die Alten: Ein geschenktes Vierteljahrhundert, freie Zeit, Freiheit, ewige Ferien. Aber ein Hobby ersetzt keinen Job. Nichts zu tun füllt keine Jahre aus. Der Mensch braucht einen Sinn. Immer mehr Ruheständler suchen die Antwort in der Ferne" lesen wir in der WO (Welt Online). Für unseren Traum sind wir zeitig aus dem Berufsleben ausgestiegen. Jetzt sind wir Segler, lernen auf unseren Reisen viel Neues kennen und sind mit unserer Entscheidung ganz zufrieden. Mark Twain schrieb dazu vor über hundert Jahren:
"Twenty years from now you will be more disappointed by the things that you didn't do than by the ones you did do. So throw off the bowlines. Sail away from the safe harbor. Catch the trade winds in your sails. Explore. Dream. Discover."



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