"Wer einmal auf den Berg Fuji steigt ist weise.
Wer ihn zweimal besteigt ist ein Narr"

(japanisches Sprichwort)



Farbholzschnitte von Hokusai (1830-36)
aus "36 Ansichten des Berges Fuji"





links

Fujisan - Matsumoto - Takayama

Fujisan (3776 m)

Die Entfernung von Tokyo zur Station Gogome (5. Station) des Weges auf den Fujisan mißt ca. 60 km. Wir fahren mit einem Reisebus auf einer mehrspurigen Autobahn und brauchen für diese Kurzstrecke fast 4 Stunden. Das ist hier völlig normal, denn es ist Samstag und Japaner reisen gerne am Wochenende. Ausserdem ist Fuji-Hochsaison. Die Bergbesteigung ist nur von Juli bis Mitte September erlaubt und nur in diesem kleinen Zeitfenster sind die Berghütten bewirtschaftet.
Wir sind gegen 15:00 Uhr am Ausgangspunkt auf 2300 m angekommen. Mit 5. Station ist ein grosser runder Platz beschrieben, an dessen Peripherie sich mehrere Geschäfte, Restaurants und ein Hotel etabliert haben. Hier rüsten sich die Wanderer für den Weg. Es ist überhaupt nicht mehr schwül und sehr windig, also angenehmes Wanderwetter. Wir müssen heute bis zur 8. Station auf etwa 3020 m, in einer Berghütte werden wir übernachten. Wir gehen nicht als Gruppe, jeder soll sein eigenes Tempo laufen. Eine Wanderkarte haben wir nicht, es gibt auch fast keine Möglichkeit den Weg zu verfehlen. Gegen 15:30 Uhr laufen wir gut gestimmt los auf dem Yoshida Trail. Anfangs ist der Weg breit und nur ganz leicht ansteigend, das ändert sich aber bald. Wir kommen gut voran bis der Weg schmaler und und steiler wird. Es bildet sich ein Menschenstau, der sich aufwärts nicht mehr auflöst. Der Weg ist unproblematisch mit etwas ausgesetzten Schrittlängen und zum Teil leichter Kletterei, die durch Seile gesichert ist. Nur der Dauerstau hält auf und es wird schneller später als geplant. Dann verdichten sich auch noch die Wolken und es beginnt zu regnen. Es wird nicht kalt- nur ungemütlich, windig, nass und voller Menschen. Die Japaner behalten ihre gute Stimmung bei- unsere Gruppe verliert sich mehr und mehr. Als es schließlich zu Dunkeln beginnt ist Vorwärtskommen nur noch im Schneckentempo möglich oder durch leicht unhöfliche und waghalsige Überholmanöver. Ziemlich erschöpft erreichen wir gegen 20:00 Uhr endlich das Lager 8. Mehere Leute unserer Gruppe fehlen noch. Inzwischen ist es stockdunkel geworden und es regnet immer noch. Der Weg ist dennoch sichtbar durch das Licht von Stirn- und Taschenlampen der unablässig aufsteigenden Menschenmassen. Gegen 21:00 Uhr sind aus unserer Gruppe alle in der Hütte, außer Bernd und ein Bergsteiger aus Bayern. Die beiden wurden trotz des Hinweises auf die gebuchte Übernachtung abgewiesen und weiter nach oben geschickt. Dort gibt es noch weitere Hütten. Mehrmals abgewiesen klappt es schließlich doch noch mit einen Schlafplatz, nur zu essen bekommen sie nichts.
Der Regen lässt nach aber der Wind heult laut um das Gebäude herum.
Kurz nach Mitternacht werden die Gipfelstürmer zum Aufstehen aufgefordert, weil man bei Sonnenaufgang auf dem Gipfel sein sollte. Eva will bei diesem wolkengrauen Himmel nicht weiter rauf und entscheidet sich, mit einem Teil der Gruppe abzusteigen. Nach dem Einbahnstrassenprinzip steigt man auf einem anderen Weg ab. Der Abstiegsweg verläuft in breiten, mäßig steilen Serpentinen von weichem Geröll talwärts. Wir starten gegen 6:00 Uhr und sind nach gut 2 Stunden wieder in der Zivilisation angelangt.
Bernd macht sich gegen 02:00 Uhr nachts zum Aufstieg bereit und reiht sich ein in den riesigen Menschenstrom, der sich im Licht der Stirn- und Taschenlampen langsam zum Gipfel emporbewegt. Gänsemarsch Stop 'n Go. Das japanische Sprichwort vom Narren kommt ihm plötzlich in den Sinn. Gegen 04:00 erreicht er mit einer riesigen Menschenmenge den Gipfelschrein und wartet auf den Sonnenaufgang. Es ist kalt, Nebel und Nieselregen mit Sichtweiten von nur wenigen Metern. Vom sagenhaften Sonnenaufgang keine Spur. Also Abstieg. Auf dem Abstiegsweg führen vielen Kehren auf Vulkanasche bergab. Bernd geht allein und verpasst die Weggabelung zum Yoshida Trail. Als er seinen Fehler bemerkt, bedeutet dieser Fehlversuch, nochmal 300 Höhenmeter zurück aufzusteigen um dann auf dem richtigen Weg abzusteigen. Es folgt ein langer, eintöniger und zermürbender Abstieg. Als die Gruppe vollständig wieder auf der 5. Station ist fahren wir mit unserem Reisebus etwa 5 Stunden nach Matsumoto. Auf der Fahrt ist es sehr still, die meisten von uns holen den versäumten Schlaf nach.


Matsumoto

Nach tiefem erholsamem Schlaf und einem ausgiebigen Frühstück sind alle Anstrengungen der Fuji Besteigung überwunden und die Unternehmungslust neu entfacht. Mit dem Bus fahren wir in die Stadt zur Burg Matsumoto Djoo (dju gesprochen). Die Ergänzung Djoo steht für Burg, Villa, Schloss oder Palast. Die imposante Burg ist von einem mit Wasser gefüllten Burggraben umgeben, in dem sich zahlreich farbenprächtige Kois tummeln. Schildkröten sonnen sich auf kleinen Inseln, die von Seerosen umgeben sind. Den angelegten Park betritt man über eine geschwungene rote Holzbrücke, die als Kontrast zum Landschaftsgrün und Burgengrau ein sehr schönes Fotomotiv liefert. Die Burg wird wegen der grau-schwarzen Farbe und den "ausgebreiteten Flügeln" auch Krähenburg genannt. Im Park werden in einer kleinen Fotoausstellung einige der bedeutendsten Burgen Japans vorgestellt. Wir erfahren, dass es um 1600 ca. 30.000 Burgen gab. Heute sind es noch etwa 30, und 5 davon sind rekonstruiert. Neben der Burgen-Galerie laden zwei traditionell gekleidete Japanerinnen zur Teezeremonie unter freiem Himmel ein. Zwei kleine, in Kimonos gehüllte Mädchen animieren zur Teilnahme und finden leicht zahlungswillige Gäste.
Wir entschließen uns zur Besichtigung der Burg. Vor dem Betreten werden die Schuhe ausgezogen. Man "schlurft" in bereitgestellten großen Pantoffeln über die blanken Holzdielen und schmalen steilen Treppen aufwärts. Im Inneren finden sich Ausstellungen, hier sind es Säbel und andere Waffen, Fächer, Porzellan, Bilder aus vergangener Zeit.

Kamikochi

Nach der Burgbesichtigung fahren wir weiter mit dem Bus gen Norden in die Japanischen Alpen nach Kamikochi etwa 200 km nordwestlich von Tokio in der Präfektur Nagano. Die Strasse führt entlang des kristallklaren Azusa-Flusses in ein Tal. Je näher wir unserm Ziel kommen, um so eindrucksvoller wird das Panorama. Unser Bus schlängelt sich, gleich zahlreichen anderen Bussen, mit bravouröser Fahrerkunst steile, immer enger werdende Serpentinen empor auf eine Höhe von ca. 1500 Meter. Schließlich halten wir auf einem riesigen Parkplatz am Touristenzentrum. Überall finden sich Wegweiser für Wandertouren und sehr gepflegte, schattige Rastplätze, deren Boden parkettartig mit Zedernholz befestigt ist. Wir laufen in der Sonne am Fluss entlang, den Blick auf die nahen Almwiesen und Berggipfel gerichtet - der Vergleich zum europäischen Namensvetter des Areals drängt sich auf und hält stand, ein wunderbares Fleckchen Erde. Dann geht es weiter zum Tagesziel nach Takayama.

Während der längeren Busfahrten gibt es lehrreiche Lektionen in Japanischer Geschichte:

Japan war ein verarmter kriegsgebeutelter Feudalstaat. Die Kriege wurden von einflussreichen Samurais mit Landbesitz, den Daimyos, geführt mit dem Ziel, ihren Besitz zu vergrößern und ihre Macht festigen. Tokugawa Ieyasu (1543-1616) beendet nach der entscheidenden Schlacht von Sekigahara (1600) was Oda Nobunaga und Toyotomi Hideyoshi erfolgreich eingeleitet aber nicht überlebt haben: Das Ende der jahrzehntelangen Kämpfe zwischen den einzelnen Landesfürsten und die Etablierung und Führung einer starken und stabilen Zentralregierung. Im Jahr 1603 ließ sich der Daimyo Tokugawa Ieyasu vom Kaiser zum Shogun ernennen und etablierte das 250 Jahre andauernde Tokugawa-Shogunat (1603-1867) mit Sitz im Fischerdorf Edo (Tôkyô). Das Schogunat hatte den Charakter einer Militärherrschaft bzw. -verwaltung, das Amt des Schoguns war erblich. Um sich vom Kaiserhof in Kyoto abzugrenzen, ließ er Edo zum Regierungssitz ausbauen. Zur Festigung seiner Macht kontrollierte Ieyasu fortan besonders die Daimyo. Jeder von ihnen durfte nur eine Burg unterhalten. Selbst Reparaturen mussten genehmigt werden. Außerdem mussten sie in Edo Zweitwohnsitze unterhalten und dort zu bestimmten Zeiten des Jahres auch verweilen. Auf diese Weise wurden Aufstände gegen den Shogun fast unmöglich. Der Verdienst Tokugawa Ieyasus war die Einigung des Landes. Tokugawa Ieyasu manifestierte auch das schon bestehende 4-Ständesystem. In der Hierarchie ganz oben standen Adlige und Samurai gefolgt von Bauern und Handwerkern. Den niedrigsten Stand hatten Kaufleute (Unternehmer, weil sie selbst nichts produzierten). Die Trennung der Stände wurde zementiert. Nicht nur Wohnort und Beruf, sondern auch die Kleidung war für alle reglementiert. Ehen zwischen Angehörigen verschiedener Stände waren untersagt. Soldaten hatten das Recht, Händler, Handwerker oder Bauern, die ihnen den Respekt verweigerten, zu töten. Ein Hauptziel dieser Maßnahmen war es sicherzustellen, dass die Bauernschaft dauerhaft an den Boden "gebunden" war und das Land mit Nahrung versorgte. Zur Aufrechterhaltung des Tokugawa Shogunats wurden im Verlauf der Edo Zeit Gesetze erlassen, die Japan mehr und mehr von der Außenwelt isolierten, u.a. durch das Verbot des Christentums, die Ausweisung buddhistischer Missionare sowie durch Beschränkungen des Schiffsverkehrs, der fast vollständig eingestellt wurde. 1635 verbot ein Dekret allen Japanern, sich ins Ausland zu begeben und jene, die sich dort aufhielten, durften nicht mehr zurückkehren. Aus Angst, See- und Kaufleute könnten den christlichen Glauben nach Japan tragen, wurden ein Jahr später auf Befehl des Shogun sämtliche japanischen Seeschiffe vernichtet. Ab 1639 war es nur noch holländischen Handelsschiffen gestattet, Japan anzulaufen und von einer künstlichen Insel im Hafen von Nagasaki aus Handel zu betreiben. Fortan war Japan eine "geschlossene Gesellschaft", ausschließlich Shogune und Hofbeamte erfuhren weiterhin über den holländischen Handelsstützpunkt was in der Welt vorging.
Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert wurde es auf Grund von Hungersnöten und politischen Unruhen immer schwieriger, das mühsam austarierte gesellschaftliche Gleichgewicht zu erhalten. Als 1853 Admiral Matthew C. Perry die Öffnung der Häfen für den Außenhandel erzwang, hatte Japan den Veränderungen keinen allzu bedeutsamen Widerstand mehr entgegenzusetzen. Die Schogunate, die zur Sicherung der Vorherrschaft der Schwerter tragenden Samurai die Herstellung und den Besitz von Feuerwaffen weitgehend eingeschränkt hatten, verfügten nicht über die militärischen Mittel, sich gegen die modernen amerikanischen Streitkräfte wirksam verteidigen zu können. Das Ende des Schogunats 1868 resultierte aus einer schweren innenpolitischen Krise, in deren Verlauf sich allmählich reformorientierte Kräfte durchsetzen und den Schogun zur Rückgabe der Regierungsgewalt an den Kaiser bewegen konnten (Meiji-Reform). 1867 übertrug der politisch geschwächte Tokugawa Yoshinobu, der letzte Shogun, die Macht an Kaiser Mutsuhito, dessen Regierungszeit den Namen Meiji trug. Dieser verlegte im Folgejahr seinen Hof nach Edo und nannte die Stadt "Östliche Hauptstadt", Tokyo.

Takayama

In Takayama angekommen übernachten wir in einer Minshuku (gesprochen Minchkö). Das ist eine familiär geführte Pension. Die Gästezimmer sind im japanischen Stil mit weichen Strohmatten, den Tatami, ausgelegt und sparsam möbliert. Auch hier liegt ein Baumwollkimono, der Yukata, für uns bereit. Mit frisch zubereitetem Tee werden wir willkommen geheißen und wir lassen uns von der stimmigen Atmosphäre einfangen. Ein japanisches Abendessen ist für uns vorbereitet, die flachen Tische sind reich gedeckt, etwa 15 Schälchen pro Person, es gibt Misosuppe, Salat, rohen und gegarten Fisch, Gemüse, Fleisch, Obst. Ungewöhnlich für uns ist, dass der Gast die Reihenfolge seines Verzehrs ganz nach eigenem Begehr wählt, es gibt keine bestimmte Vor-, Haupt- oder Nachspeise. Der Preis für das Abendessen beträgt 2100Y pP. Der Abend klingt harmonisch beim Bier aus. Zum Schlafengehen breiten wir noch den Futon (eine relativ dünne Matratze) auf den Tatamimatten aus.
Am nächsten Morgen besichtigen wir die Stadt. Frühstück gibt es aus dem Supermarkt. Takyama trägt den Beinamen "Klein-Kyoto". Die Stadt liegt in einem Talkessel auf 573 m Höhe am Ufer des Miyagawa-Flusses. Attraktionen sind alte, unter Denkmalschutz stehende Privathäuser aus der Edo-Zeit mit Sake-Brauereien, Kaufmannshäusern, Geschäften und Gasthäusern. Der Ort ist auch bekannt für die Pflege traditionellen Handwerks. Wir besuchen eine Sake Brauerei mit Verkostung und kommen danach auf den Miyagawa-Frühmarkt. Hier bieten Bauernfrauen wie schon vor 100 Jahren ihr Obst und Gemüse zum Verkauf an, nirgends sonst erhält man bessere Misopaste.
Neben den Markt liegt das historische Regierungshaus Takayama Jinya. Nachdem die Region unter Kontrolle des Tokugawa-Shogunates kam, nutzten Präfektur- und Distrikt-Gouverneure das Gebäude als Büro für ihre Regierungsgeschäfte. Von hier wurden offizielle Proklamationen verbreitet. Das Gebäude diente auch zum Einzug von Steuern, die in Form von Naturalien gezahlt und hier gelagert wurden. Takayama Jinya ist das einzige noch erhaltene Gebäude dieser Art in ganz Japan.
Mittags fahren wir mit der Bahn von Takayama nach Nagoya an einem wildromantischen Fluss entlang. Nagoya ist Zentrum der Autoindustrie und beim Blick aus dem Zugfenster gleicht die Stadt einem gigantischen Wolfsburg. Wir bleiben im Bahnhofsgelände und steigen um zur Weiterfahrt nach Kyoto. Erstmalig reisen wir nun mit dem legendären Shinkansen. Wir sind neugierig auf dieses Wunder der Technik, etwa so wie ein Kind, dass zum ersten Mal eine Lokomotive sieht. Der Zug gleicht einer geschmeidigen Schlange mit kräftigem Kopf, die Waggons sind sehr geräumig, wir haben viel mehr Platz als im ICE. Die Rückenlehne am Sitzplatz ist beweglich montiert, so dass man individuell entscheiden kann in welcher Richtung man sitzt. Der Zug fährt ausserordentlich leise. Zur Gewährleistung von Sicherheit und Pünklichkeit hat man für die Shinkansen ein gesondertes Gleisbett angelegt, dass auch in den Bahnhöfen getrennt vom sonstigen Schienenverkehr verläuft. Zugverspätungen kommen so gut wie nicht vor, und wenn ein Zug mehr als 15 Sekunden Verspätung hat muss der Lokführer dazu schriftlich Stellung nehmen. Nach einer halben Stunde Fahrzeit kommen wir an in der alten Kaiserstadt Kyoto.




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