WLAN-Wüste Deutschland oder "Die Passwörter sind alle"
Eines der für uns wichtigsten Kriterien für einen Liegeplatz ist: freier Zugang zum Internet via WLAN.
UMTS/LTE, so vorhanden, sind nur zweitrangige Alternativen (kein anonymes Surfen, langsam und teuer).
Ob Wetter, Stadtplan, Wissenswertes zur Umgebung, Veranstaltungen, Gaststätten, Törnplanung, Kommunikation oder Unterhaltung,
alles läuft über das Internet. In den holländischen Marinas ist dieser Service für die Gäste überwiegend gegeben und meist
gratis. Free WiFi ist dort in öffentlichen Gebäuden und Restaurants selbstverständlich. Wenn man jetzt von den
Niederlanden nach Deutschland segelt, fühlt man sich in eine WLAN-Wüste versetzt. Der Grund ist juristischer Art und liegt
in der sogenannten "WLAN-Störerhaftung". Eine nur für Deutschland einzigartige Gesetzeslage, nach der der Inhaber eines
Internetzugangs haftet, wenn andere über diesen Anschluss Rechtsverletzungen begehen.
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie:
"Wer sein WLAN anderen überlässt, leistet ... "willentlich und adäquat kausal" einen Beitrag zu einer potenziellen Rechtsverletzung."
"Die Störerhaftung ist ein bewährtes Mittel, um Urheberechtsverletzungen im Internet zu bekämpfen ..."
Was für ein Unsinn. Es ist vollkommen unbewiesen, dass offene WLAN-Zugänge eine nennenswerte Auswirkung auf illegales
Filesharing o.ä. haben. Urheberrechts- verletzungen im Internet sind nicht dem Vorhandensein von WLAN-Hotspots geschuldet.
Wenn man das Internet metaphorisch als Weltgehirn betrachtet, scheint es keine gute Idee einer Regierung zu sein, seiner Bevölkerung
vorurteilsvoll mit juristischen Spitzfindigkeiten den Internetzugang zu erschweren. Und so hinkt Deutschland in der mobilen
Internetnutzung hinterher. Der Anteil der Nutzer, die unterwegs ins Netz gehen, liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt.
Im September keimte kurz Hoffnung auf. Das Bundeskabinett verabschiedete am 16.09.2015 ein neues WLAN-Gesetz mit dem die umstrittene
Störerhaftung reformiert werden sollte. Aber der Entwurf des SPD geführten Wirtschaftsministeriums wurde als "rechtliches und
systematisches Chaos" gewertet. Statt Providern würden Rechteinhaber "privilegiert" und "Partikularinteressen der Musikindustrie
werden zulasten der Internetbranche bedient".
Kommentar der Freifunker: "Die Bundesregierung hat beschlossen die Verbreitung von öffentlichem WLAN zu verhindern."
2014 kamen in Deutschland nicht einmal zwei öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots auf 10.000 Einwohner. In Frankreich waren es 5,
in Schweden 10, in England 28 und in Südkorea 37. Welches der Länder wird seine Bevölkerung wohl besser auf das Digitale Zeitalter
vorbereiten?
Gute Nacht Deutschland.
Von den deutschen Marinas die wir besucht haben, stehen nur wenige auf unserer "WLAN-White-List": Hamburg (kostet extra, Preis war aber
akzeptabel), Wismar, Rostock (nicht die Hohe Düne, sondern die Hafenterrassen in der Stadt), Greifswald und Kröslin. In allen anderen
Häfen gab es mehr oder weniger große Probleme.
Zum Schmunzeln brachte uns der Hafenmeister auf Norderney. "Wir haben je Boot genau einen Zugang, sonst reicht das Internet nicht für alle".
In Wedel kein Internet, der Hafenmeister dazu: "das wir hier nicht nachgefragt". In Heiligenhafen wollte man 6 € pro Tag fürs Internet -
anachronistisch. Selbst in den neuen Luxusmarinas Kühlungsborn und Warnemünde kein brauchbares Internet an unserem Liegeplatz.
In der renommierten Hansestadt Lübeck, gar kein Internet. Amüsant war noch Barhöft, der Hafenmeister meinte: "Die Passwörter sind alle".
Wir fragten bis zum Abend noch zwei mal nach, ob er den nun frische Passwörter reinbekommen hätte, aber vergeblich.
Wochen später lagen wir wieder in Barhöft, der Hafen war schon ziemlich leer, so dass Hoffnung auf Passwörter bestand, die immerhin
4 € pro Tag kosten. Der Hafenmeister gleichgültig: "Das Internet ist seit drei Tagen kaputt".